Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
Vom Netzwerk:
pathisch mitziehen, aber plötzlich begann er sich nach Kräften zu wehren und erneut wie wild zu schreien. Seine Frau! Er musste seine Frau finden! Ungerührt versetzte ihm sein Retter eine zweite Ohrfeige und zerrte ihn die Treppen hinunter zum Keller des Ratshauses , der in einen improvisierten Schutzraum umfunktioniert worden war. Dort zwang er Begić in einer Ecke grob zu Boden, kniete sich vor ihn hin und erklärte ihm mit unerwartet sanfter Stimme, dass sein Frau schon hier im Keller sei.
    Plötzlich erkannte ihn Begić: Mujo Hasanović, einer seiner ehemali gen Schüler! Er wirkte ganz anders als damals, mit Kinnbart und tiefer Stimme, aber er war es eindeutig.
    Begić hatte Mujo als aufgeweckten, intelligenten Jungen in Erinne rung, der mit seinen Brüdern oft an alten Autos herumgebastelt hatte. Dem Hörensagen nach hatte er nach seinem obligatorischen Militär dienst ein Ingenieursstudium in Sara je vo begonnen, dieses aber wegen des Kriegsausbruchs nicht beenden können. Er war erst seit ein paar Tagen wiede r zurück .
    Im Dorf hatte gerade die Geschichte eines Streits zwischen Mujo und Musa Marić , dem Chef der Bosniakenmiliz, die Runde gemacht . Marić, noch nie ein Freund der Hasanovićs, hatte anscheinend argu mentiert, dass Mujos drei Brüder ja bereits in der Miliz seien und auch noch andere Familien zum Zug kommen sollten und die Miliz sowieso viel zu wenig Waffen hätte und somit für Mujo kein Platz sei , und so war Mujo gegen seinen Willen und trotz seiner militärischen Ausbil dung als Schutz raum chef eingeteilt worden.
    Begić schaute sich im Halbdunkel um. Obwohl viele der Dorfbe wohner in die umliegenden Wälder geflohen waren, war der grosse Raum bereits zum Bersten voll. Babies schrien, Frauen schluchzten und Männer lamentierten. Wegen der fehlenden Elektrizität gab es nur Kerzenlicht, und da die Lüftung ebenfalls nicht funktionierte, musste die Tür offen gelassen werden. Es war das reinste Chaos. Er liess sich von Mujo aufhelfen und schritt dann langsam die Reihen der verzweifel ten Menschen ab, bis er schliesslich seine Frau fand, die weinend in einer Ecke sass. Als sie ihn kommen sah, schrie sie auf und stürzte sich auf ihn, gleichzeitig weinend und lachend vor Glück . Er setzte sich zu ihr und begann wie die Anderen zu warten. Worauf sie warteten, wusste niemand so genau.
    Die nächsten Tage harrten sie in ihrem Versteck aus, während die Miliz in improvisierten Stellungen und Schützengräben auf den Angriff wartete und die serbische Artillerie ihr Dorf in Schutt und Asche legte. Rund um die Uhr schlugen die Granaten ein. Lebensmittel und Wasser wurden schnell knapp. An Schlaf war nicht zu denken. Am zweiten Tag hörten die Kinder vor Erschöpfung auf zu weinen. Am dritten Tag holten Mujo und zwei Männer trotz des Beschusses so viel Ess- und Trinkwaren wie möglich aus den umliegenden Häusern und brachten sie in den Keller. Wie durch ein Wunder blieben sie unverletzt. Schliess lich, am fünften Tag, hörte das Bombardement auf. Später erfuhr Begić, dass in der kurzen Zeit über sechstausend Granaten auf Ahatovići niedergegangen waren.
    Die Kellerinsassen trauten der verdächtigen Ruhe nicht, aber Mujo wollte trotzdem einen Augenschein nehmen. Begić versuchte ihn davon abzubringen, aber es nützte nichts. Schliesslich entschloss sich der Lehrer daher trotz des lautstarken Protestes seiner Frau, seinen ehemaligen Schützling zu begleiten.
    Zurück auf der Strasse erkannten sie ihr Heimatdorf kaum wieder. Nur drei Häuser im Dorfkern waren wie durch ein Wunder unbeschä digt geblieben, der Rest war vollständig zerstört. Dächer waren einge stürzt, Wände kollabiert und Leitungen geborsten. Von vielen Gebäuden war nur noch ein verkohltes Gerippe übrig, und mehr als eines hatte sich gänzlich in einen riesigen rauchenden Geröllhaufen verwandelt. Überall züngelten Flammen aus den Ruinen und tauchten die Szenerie in ein unnatürliches Wechselspiel von fahlem Licht und grauen Schatten unter dem düsteren, wolkenverhangenen Himmel . Z um Löschen war niemand mehr da , aber die Elektrizitäts- und Wasserver sorgung war sowieso schon vor Wochen unterbrochen worden.
    Ganz in der Nähe konnten sie Gefechtslärm hören. Das dumpfe Grol len der Artillerie war nun durch das scharfe, peitschenartige Knal len von Gewehr patro nen abgelöst worden. Immer wieder erklang Serie feuer, sporadisch begleitet vom Don ner grollen schwerer Maschinen ge wehre. Nur ab und zu ertönten

Weitere Kostenlose Bücher