Sonnenfinsternis: Kriminalroman
zwischen denen in kyrillischer Schrift Beli Orlovi 1 Fallschirmjäger-Bataillon geschrieben stand. Die Kerle gehörten zu den ‹ Weissen Adlern › . Schon vor einigen Wochen waren sie zusammen mit mehreren von Arkans ‹ Tigern › im serbischen Teil des Dorfs aufgekreuzt und hatten die Muslime in Angst und Schrecken versetzt.
Begić spuckte auf den Boden. Verfluchte Paramilitärs! Ihm schwan te Schlimmes, und leider sollte er Recht behalten.
Die Weissen Adler stellten sich im Halbkreis um den Imam auf, so dass dieser zwischen ihnen und den eingeschüchterten Gefangenen auf dem Fussballplatz kniete. Einer der Paramilitärs trat ihn in die Seite und befahl ihm, das Dreifingerzeichen der serbischen Nationalisten und der serbisch-orthodoxen Kirche zu machen. Vater, Sohn und Heiliger Geist. Harambašić weigerte sich. Ein anderer Freischärler versetzte ihm einen Fusstritt ins Gesicht, der ihn auf den Rücken schmetterte. Mit vorgehaltener Waffe befahl ihm ein Dritter, sich wieder hinzuknien. Als der Imam sich mühsam hochrappelte, blutete er aus Mund und Nase. Der Befehl, das Dreifingerzeichen zu machen, wurde wiederholt. Wieder weigerte er sich. Diesmal traktierten ihn mehrere Paramilitärs mit ihren Gewehrkolben, bis er blutüberströmt bewusstlos liegen blieb. Dann wurde ihm ein Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. Als er wieder zu sich kam, musste er sich erneut hinknien und wurde zum dritten Mal aufgefordert, gefälligst das Zeichen zu machen. Zum dritten Mal weigerte er sich.
Nun verloren die Weissen Adler die Geduld. Nach einem kurzen Wortwechsel trat einer vor, zog ein langes Jagdmesser und versetzte dem Imam einen tiefen Stich in den Hals. Dann wischte er das Blut an der Kleidung seines Opfers ab und drehte sich um, bevor er plötzlich kehrt machte und noch zwei Mal zustach. Dabei durchtrennte er offensichtlich die Halsschlagader, denn nach dem Herausziehen der Klinge begann ein Strom grellroten Blutes im Rhythmus des versiegen den Herzschlags aus dem auf die Seite gefallenen Imam herauszu pum pen. Erschüttert mussten die Gefangenen zuschauen, wie ihr Vorbeter langsam im Dreck ver blu tete, während die Paramilitärs lachten und sich gegenseitig auf die Schultern klopf ten. Die Leiche wurde einfach an Ort und Stelle liegen gelassen. Einer der Mörder trat absichtlich nahe an den Maschendrahtzaun des improvi sier ten Gefäng nisses heran, spuckte auf den Boden und sagte: «Das soll euch eine Lehre sein, Balije .»
Begić schloss die Augen und schüttelte minutenlang ungläubig den Kopf, während seine Frau neben ihm hemmungslos weinte.
Etwas später betraten drei Soldaten den Fussballplatz . Gezielt wählten sie mit Hilfe einer mitgeführten Liste mehrere der Gefangenen aus und führten sie in Richtung Schweinefarm ab . Darunter waren Musa Marić, der Anführer der Miliz, der Dorfpolizisten Nedzad und eine im Dorf lebende Professorin der Sarajevoer Universität. Kurz darauf hörten die übrigen Gefangenen Schüsse.
Irgendwann am Nachmittag kam ein Offizier zusammen mit einer grösseren Grup pe Soldaten vorbei und teilte die Gefangenen auf. Alle Männer mussten sich auf die eine Seite stellen, die Frauen und Kinder auf die andere. Wer den An weisun gen nicht sofort Folge leistete, wurde gnadenlos zusammengeschlagen. Zwei Väter, die sich trotzdem stand haft weigerten, ihre Familien allein zu lassen, wurden vor deren Augen erschossen. Danach wurden allen noch nicht gefesselten Män nern, darunter auch Begić, die Hände mit Stacheldraht auf den Rücken ge schnürt. Die Eisendornen gruben sich in seine Handgelenke , und bei jeder Bewe gung schmerzte es höllisch.
Schliesslich wurden die Männer auf einen wartenden Lastwagen verladen. Beglei tet von zwei Schützenpanzern nahm dieser mit seiner lebenden Fracht Kurs auf das südwestlich gelegene Nachbardorf Bojnik. Nach kurzer Fahrt kamen sie dort an. Sobald sie angehalten hatten, öffnete sich die Ladeluke und eine Stimme befahl den Gefangenen, sofort auszusteigen. Wer nicht schnell genug war, wurde grob herunter gerissen. Anschliessend wurden ihnen die Handfesseln ab ge nom men. Begić rappelte sich hoch und schaute sich um. Sie standen auf dem asphaltier ten Parkplatz eines Supermarktes, in Schach gehalten vom Maschinen ge wehr eines Schützenpanzers. Er liess seinen Blick herum schweifen und traute plötzlich seinen Augen nicht : Etwas weiter vorne auf dem Platz kniete n sicher etwa vierzig der vermissten Ahatovići-Verteidiger, die Hände hinter dem
Weitere Kostenlose Bücher