Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Kopf verschränkt. Einige waren verwundet , und die meisten schienen bereits miss handelt worden zu sein . A ber sie lebten !
Dann betrachtete er ihre Bewach er etwas genauer. Ungefähr die Hälfte der sicher etwa hundert Soldaten trug die olivgrüne Uniform der VRS, die meisten der anderen die blauen Hosen und hellblauen Hemden der ehemaligen jugoslawischen Luftwaffe. Sie waren wohl vom Stützpunkt in Rajlovać.
Als Begić sie genauer betrachtete, traute er seinen Augen zum zweiten Mal nicht: Unter ihnen befanden sich viele Serben, die früher in Ahatovići gelebt hatten. Er konnte sich nicht namentlich an alle erinnern, aber drei Brüder erkannte er sofort: Goran, Zoran und Vedran Jovanović. Begić wusste, dass sie noch zwei weitere Brüder hatten, Momir und Sreten, aber er konnte diese nirgends sehen. Alle fünf waren seine Schüler gewesen, und unter den jüngeren Gefangenen befanden sich mehrere ihrer ehemaligen Schulkameraden. Begić konnte sich erinnern, dass Zoran mit Mujo Hasanović befreundet gewesen war.
Kaum waren alle Gefangenen ausgeladen und zu der anderen Grup pe gebracht worden, kamen die drei Jovanović-Brüder zu ihnen herüber und befahlen ihnen barsch, sich sofort bis auf die Unterhosen auszuziehen. Die meisten kamen dieser Aufforderung widerspruchslos nach, aber Omer Bakrač, ein pensionierter Ingenieur, der den Kindern im Dorf immer gern Geschichten erzählt hatte, weigerte sich. Ungerührt und ohne zu diskutieren schlug ihm Goran Jovanović mit seinem Gewehrkolben die Zähne aus. Dann steckte er ihm den Lauf in den Mund und drückte ab. Das Ganze geschah so schnell, dass keiner der Umstehen den reagieren konnte. Wie durch ein Wunder traf die Kugel sonst niemanden, aber einige der hinter Omer Stehenden wurden von einer Mischung aus Haar, Knochen splittern, Blut und grauer Gehirn masse vollgespritzt. Darm- und Blaseninhalt der zusammenge sa ckten Leiche ergossen sich auf den Boden. Mehrere der umstehenden Ge fan genen übergaben sich, und bald war der Boden um die Leiche herum ein einziges Schlammbad aus Blut, Urin, Kot und Erbrochenem.
Dann mussten sich die wehrlosen Gefangenen hinlegen. Ihre Bewa cher ver teilten sich und begannen auf Pfiff systematisch auf sie einzu prü geln. Sie traktier ten sie mit Gewehrkolben, Schlagstöcken, Baseballschlägern, Eisenstangen und sogar Holzlatten. Sie traten sie und schlugen sie mit Fäusten, sie bespuckten sie und urinierten auf sie. Einige machten sich einen Spass daraus, Bierflaschen auf den Köpfen der am Boden Liegenden zu zerschlagen.
Begić verlor rasch das Bewusstsein und wachte erst wieder auf, als die Peiniger ihre Opfer mit Gartenschläuchen und Eimern voll Wasser abspritzt en . Sein ganzer Körper war völlig zerschunden. Es schmerzte einfach alles. Vorsichtig untersuchte er sich selbst. Er hatte mehrere Risswunden am Kopf, zwei Finger waren gebrochen, sein linkes Schlüsselbein war wohl zertrümmert und er hatte zwei Schneidezähne verloren. Dazu kamen Prellungen am ganzen Körper und eine starke Zerrung oder vielleicht sogar ein Muskelriss in der linken Wade. Immer noch auf dem Boden liegend schaute er sich um, so gut es ging. Seine Freunde, Verwandten und Bekannten, mit denen er fast sein ganzes Leben verbracht hatte, boten einen schrecklichen Anblick. Überall war Blut. Viele weinten.
Vedran Jovanović befahl ihnen, liegen zu bleiben. Dann stolzierte er wie ein antiker Feldherr zwischen ihnen herum und schrie sie pausenlos an. Manche der anderen Schläger grinsten hämisch und skandierten nationalistische Parolen dazu.
Irgendwann später fuhren mehrere oliv grüne Truppentransporter vor. In Unter hosen wurden Begić und die Anderen erneut mit Stachel draht gefesselt, bevor sie sich in Gruppen von etwa fünfzehn Mann auf stellen mussten, um auf ihren Transport zu warten. Erst jetzt erblickte Begić in einer anderen Gruppe plötzlich seine beiden Söhne. Er stiess einen gellenden Schrei aus und begann, auf sie zuzu renne n. Bevor er aber mehr als ein paar Schritte gemacht hatte, wurde er auch schon von einem der Bewacher zu Boden geschlagen und anschliessend unter einem Hagel von Flüchen, Fusstritten und Kolbenstössen zurück zu seiner eigenen Gruppe geschickt.
Diesmal dauerte die Fahrt deutlich länger. Unterwegs wurden die Gefangenen gezwungen, serbische Partisanenlieder zu singen, während die Wachen im Transporter auf- und abgingen und fehlendem Enthusias mus mit ihren Polizei schlag stöcken auf die Sprünge halfen.
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