Sonnenfinsternis: Kriminalroman
unserer Toch ter auch leichter hätten machen können.
Wir bestellten ein zweites Bier und stiessen erneut an. Danach erkundigte ich mich nach seiner Arbeit: «Und, wie läuft’s so bei Forsters Gestapo?»
Forster war der Züricher Polizeidirektor. Eine linke Wochenzeitung hatte die Kantonspolizei vor einigen Monaten in einem Artikel als ‹ Forsters Gestapo› bezeichnet. Der Übername hatte sich trotz seiner Herkunft rasant verbreitet unter den Zürcher Stadtpolizisten, bei denen sich viele diebisch darüber freuten, dass dem ewigen Rivalen öffentlich ans Bein gepinkelt worden war.
Er grunzte. «Na ja, du hast das ja noch erlebt. Die neue Organisation macht uns immer noch etwas zu schaffen. Und es hilft auch nicht, dass die Kompetenzen immer noch nicht wirklich klar geregelt sind. Einigen unserer werten Kollegen bei der Stadtpolizei geht es mächtig an die Nieren, dass sie komplexe Fälle an die Kapo abgeben müssen. Und obwohl ich ja damals nicht wirklich freiwillig gewechselt habe, sehen mich manche bei der Stapo nun als Verräter. Das macht die Zusammen arbeit natürlich nicht einfacher. Auch wenn das schon eine halbe Ewigkeit her ist.»
Im Sinne des föderalistischen Staatsmodells war das Schweizer Polizeiwesen kantonal geregelt. Das hiess, jeder der 26 Kantone regelte seine Polizei selbst. Im Kanton Zürich nahm die Kantonspolizei eine übergeordnete Rolle ein und war den kommunalen Polizeien eigentlich vorgesetzt . Aufgrund ihrer Grösse nahm die Stadtpolizei von Zürich, der einwohnerstärksten Schweizer Stadt, allerdings eine Sonderstellung ein und war im eigenen Selbstverständnis sozusagen die vierte Polizeiregion Zürichs . E in todsicheres Rezept für permanente Reibereien.
Im Jahr 2004 hatte der Zürcher Kantonsrat dann das neue Polizei or gani sations gesetz nach einem fast vierjährigen handfesten Streit zwischen Stadt und Kanton schliesslich verabschiedet. Es regelte erst mals generell die Verteilung der Polizeikompetenzen auf dem ganzen Kan tons gebiet, inklusive der Städte Winter thur und Zürich. Die zuge hörige Verordnung hatte dann im Detail die Art Fälle aufgelistet, für welche in Zukunft die Kantonspolizei zuständig sein würde. Dazu gehörten zum Beispiel Mord, Totschlag, vorsätzliche Tötung, banden mäs siger Raub, Entführung oder Geldwäscherei. Ausserdem war die Kantonspolizei zu stän dig, wenn für einen Fall eine Ermittlungsgruppe gebildet werden musste oder wenn der Bund Ermittlungen nach unten delegierte. Für die Stadt Zürich bedeutete dies die gesetzliche Festschreibung des Modells Urban Kapo , welches eigentlich bereits seit 2001 die kriminalpolizeiliche Aufgabenteilung zwischen Stadt und Kanton festlegte. Im Verlauf von dessen Umsetzung waren 168 Stadt zürcher Kriminalpolizisten zum Kanton transferiert worden, darunter auch ein zunächst äusserst widerwilliger Steiner sowie meine Wenigkeit.
Steiner riss mich aus meinen Gedanken. Er zeigte auf seinen Ober arm und erklärte: «Ich bin übrigens befördert worden.»
«Ah ja?» Ich zog die Augenbrauen hoch und fragte: «Wachtmeister mit be schränk tem Ausgang?»
Er nickte und ich pfiff anerkenne n d. Die korrekte Bezeichnung lautete eigent lich ‹Wachtmeister mit besonderen Aufgaben›, kurz Wm mbA . Steiner war jung für den Grad.
Ich gratulierte ihm und fragte dann: «Und sonst? Irgendwas Interes san tes?»
«Nein, eigentlich nicht.» Steiner überlegte kurz. «Oder doch. Warte, das könnte dich interessieren. Hast du schon gehört, dass Roth wieder zurückversetzt wurde?»
«Heinrich Roth?»
Heinrich Roth war mein ehemaliger Chef und einer der Haupt grün de, weshalb ich den Polizeidienst quittiert hatte.
«Ja, Heinrich Roth.»
«Das blöde Arschloch. Wohin versetzt?»
«Zurück zu uns.»
«Ähm… okay? Wo war er denn vorher ?»
Er grinste breit. «BFV.» Das Büro für Veranstaltungen, kurz BFV, war Empfänger aller Gesuche für Demonstrationen und Kundgebungen, Sport ver an staltun gen, Filmaufnahmen, und so weiter. Jeder Stadtpolizist versuchte das BFV unter allen Umständen zu vermeiden.
Ich fragte erstaunt: «Wie soll das gehen? Er ist doch bei der Kapo.»
«Zwischendurch nicht», antwortete Steiner, «es ist ihm nahe gelegt worden, leise zur Stapo zu wechseln und dort Ludwigs alten Job zu übernehmen. Der wurde ja letztes Jahr pensioniert.»
Ich konnte meine Schadenfreude nicht verbergen. «Ah ja? Geschieht ihm recht, dem Wixer. Roth, meine ich. » Ich schrieb mit meiner Zunge gedanken
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