Sonnenfinsternis: Kriminalroman
tatsächlich begann Lucović nun zu meiner Verblüffung Deutsch zu sprechen , p raktisch akzentfrei und sogar mit leichtem fränkischem Einschlag. Meine von einer ordentlichen Ohrfeige begleitete Nachfrage ergab, dass er in Deutschland geboren worden war und den deutschen Pass besass. Ich konnte es kaum fassen. Aber irgendwie klang es trotzdem plausibel. Ich wusste ja , dass in den späten Sechzigerjahren massenhaft jugoslawische Gastarbeiter nach Deutsch land eingewandert waren.
Ivica begann das Verhör. Fast beiläufig erwähnte er , dass wir nur an Princip interessiert seien und Lucović darum durchaus gehen lassen könnten, falls er uns zufrieden stelle . Und dass ihm Princip vielleicht schon bald nicht mehr vor der Sonne stehe , wenn er uns helfe . Zuckerbrot und Peitsche. Ivica schien zu wissen, was er tat.
Lucovićs Widerstand war gebrochen. Plötzlich sprudelten die Infor ma tionen nur so aus ihm heraus, ohne dass wir die Prozedur, mit der wir ihn zum Reden gebracht hatten, nochmals wiederholen mussten.
Im Verlauf der Befragung verifizierten wir zunächst, was wir schon wussten. Ja, Lucović kannte Luka Princip. Ja, Princip war früher bei Arkans ‹ Tigern › gewesen. Ja, Princip stand in der Organisation eine Stufe über ihm. Ja, er war ihm vor die Nase gesetzt worden, und ja, das passte ihm überhaupt nicht.
Bald stellten wir fest, dass Lucović trotz seinem Machogehabe ganz offen sicht lich eine Heidenangst vor Princip hatte . Wie jeder in der Organisation, wenn man unserem unfreiwilligen Gast glauben konnte. Desweiteren stellte sich heraus, dass Princip ein Alkoholproblem hatte. Er trank anscheinend öfters mal ordentlich einen über den Durst und redete dabei auch gern und viel über sich. Und da er sich dabei oft mit Lucovićs Huren vergnügte, wusste dieser ziemlich gut über die Geschäfte seines Widersachers Bescheid. Lucovićs Hauptproblem dabei war aber anscheinend nicht, dass Princip ein soziopathischer Killer war, sondern dass er für die Dienste seiner Nutten nie bezahlte. Ich schüttelte den Kopf. Was für ein Scheiss haufen! Riba hatte Recht.
Auf unsere Nachfrage hin, weshalb er das Schwein denn nicht ein fach bei seinen Bossen verpfeife, antwortete Lucović ausweichend, das sei nicht so einfach. Offenbar waren seit Princips Einstieg in der Organi sation bereits mehrere seiner anderen Rivalen spurlos verschwunden. Deshalb kroch ihm Lucović nun für den Moment in den Hintern, wo er nur konnte, bis sich der richtige Augenblick ergab .
Princip war für den Waffenschmuggel nach Westeuropa zuständig. Soweit Lucović wusste, hatte er dabei in den letzten zwei Jahren bei fast allen grossen Deals für die Organisation kleinere Mengen für Privatgeschäfte abgezweigt. Lucovićs hoffte anscheinend , früher oder später Beweise dafür zu finden und Princip so loszuwerden . D enn wenn die Bosse davon Wind kriegten , war er tot , das war so sicher wie das Amen in der Kirche . Das Wort von ein paar Huren reichte dafür aber nicht aus. Also wartete Lucović geduldig auf seine Chance.
Mittle r weile hatte sich der nackte Gangster soweit gefangen, dass seine Antworten immer langsamer und widerstrebender kamen. Ivicas Beiss zange überredete ihn aber ohne grosse Mühe zu erneuter Koopera tion.
S oweit Lucović wusste , war Princip im vergangenen Halbjahr nur einmal im Ausland gewesen. Zumindest hatte er v or ein paar Monaten im Bett mit Lucovićs damaliger Lieblingshure geprahlt, er stünde kurz davor, einen grossen Privatdeal mit einer Bande glatzköpfiger Spinner abzuschliessen.
«Wo war das?» Vor Aufregung hielt ich unbewusst den Atem an.
«In meinem Klub», antwortete Lucović perplex.
«Nicht das, du Idiot.» Ich schüttelte den Kopf. Dann trat ich einen Schritt näher, nahm Ivica die Beisszange aus der Hand und packte damit drohend ein grosses Büschel Schamhaare. «Wo sind diese Glatzköpfe?»
Hastig stiess Lucović hervor: «In der Schweiz!»
Ivica und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu. Bingo! Aber konnte das stimmen?
Es konnte. Lucović war sich deshalb so sicher, weil Princip an scheinend extra nach Zürich geflogen war, um dafür ein Bankkonto zu eröffnen. Zumindest hatte er das gegenüber Lucovićs Hure behauptet . Ich hätte wetten können, dass dies einer der tatsächlichen Gründe war, weshalb Lucović noch nichts gegen Princip unternommen hatte. Wahrscheinlich suche er krampfhaft nach einem Weg, wie er sich das Geld unter den Nagel reissen konnte. Ich schüttelte
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