Sonnenfinsternis: Kriminalroman
diese Typen haben keine Angst vor dem Knast, wenn’s nicht gerade um lebenslänglich geht.»
Eine Weile lang sassen wir schweigend nebeneinander und dachten nach. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Weil das eher selten passierte, war es ein umso erhebenderes Gefühl. Triumphierend sagte ich: «Es muss etwas sein, das sie nicht in Konflikt mit dem Staat bringt, sondern mit ihren Kumpels! Die Kameradschaft geht ihnen über alles.»
Steiner war bedeutend weniger beeindruckt. « Schön, u nd was?»
«Na, irgendwas. Das weiss ich doch jetzt noch nicht.»
«Und welchen der Kerle picken wir raus?»
Ich ging mental die Liste von Rappolders Glatzköpfen durch, die mir bisher begegnet waren. Leider wiederholte sich meine Erleuchtung nicht. Aber vielleicht wusste Gunnar Neumann Rat. Ich rief ihn an. Er war da und er wusste tatsächlich Rat. Ich bedankte mich, legte auf und schaute Steiner an. «Grubenhauer.»
«Wie bitte ? »
«Markus Grubenhauer, fünfundzwanzig, Rappolders Jugendfreund und seine rechte Hand.»
«Welcher der Kerle ist das?»
Ich grinste. «Das schmalbrüstige Narbengesicht, das in der Tief ga rage von Rappolders Wohnsiedlung seine Gorillas auf mich gehetzt hat.»
«Und wieso denkt Neumann, dass… wie heisst er nochmals?»
«Grubenhauer.»
«…dass Grubenhauer für deine Zwecke am besten geeignet ist?»
«Er ist sich sicher, dass Grubenhauer von der ganzen Führungsriege der psychisch Labilste ist. Und Dreck am Stecken haben sie alle in irgendeiner Form. Na ja, wer nicht ausser d ir?» Ich grinste.
Steiner ignorierte mich. «Na schön. Und was jetzt?»
«Ich hänge mich an den guten Markus dran und finde was.»
«Natürlich streng im gesetzlich erlaubten Rahmen.»
«Natürlich», antwortete ich mit meinem süssesten Lächeln.
Eine Stunde später sass ich wieder an meinem Schreibtisch und rief Imam Kulenović an. Ich berichtete ihm so viel von den Ereignissen in Wien und Belgrad, wie mir angezeigt schien. Alles musste er nicht wissen. Ausserdem erzählte ich ihm in groben Zügen, was ich vorhatte, ohne allerdings Namen zu nennen. Er sprach mir sein Vertrauen aus, erwähnte aber gleichzeitig auch, dass ihm das Geld ausging e und wir die Sache schnell zum Abschluss bringen sollten .
Ein kleines, aber nicht unbedeutendes Problemchen gab es allerdings noch: Ich hatte keine Ahnung, wo ich den guten Markus finden konnte. Als ungemein findiger Spürhund mit jahrelanger Erfahrung versuchte ich es zuerst unter ‹ Markus Grubenhauer › im Telefonbuch, allerdings vergeblich. Dann versuchte ich Kombinationen aus Vor- und Nach na men, Initialen und anderen Schreibweisen des Nachnamens. Alles ohne Erfolg. Wahrscheinlich war er wie viele junge Leute heutzutage und hatte gar kein Festnetz telefon mehr , n ur noch ein Handy.
Falls er vorbestraft war, konnte Steiner mir eine Adresse besorgen. Also rief ich ihn an. Er versprach, sich rasch darum zu kümmern und legte auf. Ich öffnete meine Schreibtischschublade, schaute die FlascheBushmills darin an und schloss die Schublade wieder, ohne diese anzurühren. Ein paar Minuten später rief Steiner zurück. Grubenhauer war nicht aktenkundig. Diesmal kam ich Steiner zuvor und legte auf, ohne mich zu verabschieden.
Dritter Versuch: Gunnar Neumann. Bei ihm hatte ich mehr Glück. Er besass sowohl Grubenhauers Privatadresse als auch die seines Arbeitgebers und diktierte mir beide über das Telefon.
Den Rest des Tages plante ich meine nächsten Schritte. Um halb acht gab ich der Versuchung nach und genehmigte mir einen Schluck Whiskey. Um acht rief Fiona an und erinnerte mich daran, dass heute Besuch aus Frankreich da sei, ich aber trotzdem vorbei kommen könne, wenn ich wolle. Ich wollte nicht . Um halb neun nahm ich den Bush mills erneut aus der Schublade, genehmigte mir noch einen Schluck und liess die Flasche auf dem Tisch stehen.
Kapitel 35
Grubenhauer wohnte im vierten Stock einer frisch renovierten , gelb gestriche nen Mietskaserne in Seebach, Zürichs nördlichstem Quartier. Für einen Extre misten führte er ein schon fast beängstigend bürgerliches Leben. Mittlerweile hing ich bereits den zweiten Tag wie ein Schatten an ihm dran und ging vor Lange weile beinahe die Wände hoch. Keine Barbesuche, keine Treffen mit Freunden, rein gar nichts. Der Kerl führte ein Leben wie ein Mönch. Bruder Markus.
Es war halb elf Uhr morgens an einem grauen, nasskalten November sonntag , und ich verfluchte gerade zum wiederholten Mal den Beruf, der mich dazu
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