Sonnenfinsternis: Kriminalroman
von ihm und vier seiner Kumpels ist. Und das hier auch.» Ich öffnete meine Jacke und zog mein T-Shirt hoch, um ihr die mittlerweile nur noch schwach sichtbaren Blutergüsse zu zeigen.
« Ich glaube, d u machst Witze , mein Lieber ! Marc soll das getan haben ? Der kleine Marc?»
«Ja, er und vier seiner Kumpels. Sein richtiger Name ist Markus. Markus Grubenhauer. Und er ist nicht harmlos. Im Gegenteil, er ist ein übler Schläger und Neonazi . U nd er ist möglicherweise in einen besonders brutalen Mord ver wickelt.»
«Marc? Ich meine, Markus? Das kann ich kaum glauben. Er ist im mer so höflich und zurückhaltend. Und ruhig. Und wenn er doch einmal was sagt, dann kann er einen kaum ansehen. Ich glaube, er fühlt sich eigentlich gar nicht wirklich wohl hier. Ich hatte immer irgendwie das Gefühl, er sei eine Klemmschwester.»
«Eine was?»
«Eine Klemmschwester.»
Als ich sie nur verständnislos anstarrte , fuhr sie fort: «Eine Schrank schwuch tel. Ein Schwuler, der sich nicht geoutet hat.»
«Ach so. Na klar hat er sich nicht geoutet, bei seinem Umfeld. Aber die Frage ist doch: Wieso kommt er hierher?»
«Na, das ist einfach. Wegen Jean. Das ist ihr Treffpunkt.»
Ich war verwirrt. «Wer ist Jean?»
«Jean ist Marcs Freund. Oder Liebhaber.» Nach einem Augenblick fügte sie erklärend hinzu: «Jeans richtiger Name ist Bénédict, aber welcher Schwule heisst schon so?»
Die Frage war rhetorisch und ich antwortete nicht darauf. Ausser dem war der Name definitiv nicht dasjenige Teil des Puzzles, mit dem ich Mühe hatte. Ungläubig fragte ich stattdessen: « Die beiden sind ein Paar?»
Sigi zuckte mit den Schultern. «Paar? Ich weiss nicht. Ich glaube, sie führen keine richtige Beziehung. Jean hat mir gegenüber einmal gejammert, dass sie wegen seines Jobs nur ab und zu Sex hätten und sich sonst nie sähen.»
«Wieso wegen seines Jobs? Und wieso bist du seine Gaby?»
«Ich bin nicht seine Gaby, er war einfach mal ziemlich betrunken und wollte reden. Soweit ich weiss, arbeitet er bei der kamerunischen Botschaft in Bern. Er hat wohl Angst, dass seine Karriere Schaden nimmt, wenn seine sexuelle Orientierung bekannt wird. Traurig, oder?»
Ich nickte, ohne wirklich zuzuhören. Die Botschaft von Kamerun? «Und was macht er dort? In der Botschaft, meine ich?»
«Ich glaube, er ist Sekretär oder sowas.»
«Sekretär oder erster Sekretär?» Das war ein kleiner aber feiner Unterschied: Der erste Sekretär war ein hoher Diplomat.
«Erster Sekretär, denk e ich.»
Ich schluckte und fragte perplex: «Jean ist schwarz ?»
Sie schaute mich erstaunt an und erwiderte ziemlich unwirsch: «Ja, wieso? Hast du ein Problem damit?»
«Ich nicht. Aber denk mal kurz darüber nach.»
Sie nahm mich beim Wort, und nach ein oder zwei Sekunden stiess sie einen leisen Pfiff aus und sagte: «Du meinst, wenn er ein Neonazi ist, wie du sagst…»
Ich nickte. «Schwul und ein schwarzer Liebhaber… Wenn seine Nazikollegen das wüssten, würden sie ihn umlegen.»
Sie zog scharf die Luft ein und stiess erschrocken hervor: «Das ist nicht dein Ernst!»
Ich zuckte mit den Achseln und antwortete wahrheits getreu : «Ich weiss es nicht. Möglich wär’s. Schlimmer für ihn könnt’s nur noch werden, wenn sich heraus stellen sollte, dass seine Eltern dazu noch Juden sind.»
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. «Weisst du, das ist alles ziemlich schwer zu verdauen.»
« Ich weiss, Sigi. Ist denn ‹Marc› oft hier?»
«Eigentlich nicht. Aber es kommen viele Leute in meinen Klub. Wenn ich allerdings so darüber nachdenke: In letzter Zeit habe ihn nur hier gesehen, wenn Jean auch hier war.»
«In letzter Zeit? Wie lange kommt er denn schon her? Und woher kennt er diesen Jean?»
«Kennengelernt haben sie sich hier, soviel ich weiss. Das war vor etwa einem Jahr oder so. Marc kommt allerdings schon seit ein paar Jahren ab und zu her.»
Ich verdaute das schweigend. Dann fragte ich leise: «Kannst du mir noch einen Gefallen tun, Sigi? Der Letzte, wirklich.»
Sie schaute mich erneut skeptisch an und antwortete zögerlich: «Wenn’s nicht zu lange dauert. Ich sollte mal wieder rein.»
«Geht ganz schnell. Ich habe Minas Videokamera hier. Damit kann man auch in einem halbdunklen Raum einigermassen brauchbare Auf nahmen machen, behauptet sie.» Ich kramte die Kamera hervor und drückte sie ihr in die Hand. «Wär’s möglich, dass du die beiden zusammen filmst? Möglichst beim Tanzen oder Händchen halten oder sowas.»
Sie
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