Sonnenfinsternis: Kriminalroman
kein Bulle mehr, sondern ein Zivilist. Ein oftmals ziemlich nerviger noch dazu.»
Ich zuckte mit den Achseln. « Dafür brauche ich mich nicht um Zuständig keiten oder Vorschriften zu kümmern. Das kann auch für dich manchmal ganz nützlich sein.»
Er schwieg mich zwei Sekunden lang an. Es kam mir länger vor. Dann sagte er: «Genau. Also, soll ich fortfahren?»
«Ja, bitte.»
«Gut. Eben, Meyer informiert also die Kapo und Dierauer schickt mich, ob wohl ich weiss Gott genug andere Fälle habe.» Major Peer Dierauer war Chef der kan to nalen Kriminalpolizei und führte im Moment ad interim auch die Spezial ab teilung Zwei, welche unter anderem für Kapitalverbrechen zuständig war. «Ich tauche da also auf, so ungefähr eine Stunde, nachdem Meyer und seine Jungs die Leiche entdeckt haben. Einer der Hamburger ist gerade am Kotzen.» Ham bur ger war die eigentlich aus dem Militär stammende Bezeichnung für neue Mitglieder einer Einheit.
Steiner kratzte sich gedankenabwesend an der Glatze. «Meyer nimmt mich in Em pfang und beschreibt mir kurz den Hergang. Anscheinend haben sie die Leiche in ungefähr vier Meter n Tiefe gefunden. Die Hände waren mit Isolierband auf den Rücken gefesselt. Das Wasser hat das Band aufgeweicht, aber es war noch dran. Die Fuss gelenke waren übereinander gelegt und mit einer Kette gefesselt, die mit einem dieser billigen Vorhängeschlösser…» Er schaute mich fragend an. «Wie man sie am Flughafen für einen Koffer kaufen kann?» Ich nickte und er fuhr fort: «Also, die Kette um die Fussgelenke war vorne mit einem dieser Dinger zu sammen geschlossen. Am anderen Ende der Kette war ein etwa halbmeterlanges Stück Eisen befestigt. Von einem dieser H-förmigen Stahlträger . Die Kette durch ein Loch darin gezogen und eben falls mit einem Vorhängeschloss festgemacht. Wie im Film. Eine Art Anker, um den Körper unten zu halten.»
Ich dachte darüber nach und meinte dann: «Aber ist das nicht irgendwie schräg? Wer macht sich denn diese ganze Mühe?»
«Jemand, der zu viele Gangsterfilme ge schaut hat ?»
«Selbstmord können wir wohl ausschliessen, was?»
Er schnaubte verächtlich. «Hast du schon mal einen Selbstmörder gesehen, der sich die Hände mit Klebeband auf den Rücken fesselt und dann auf so kompli zierte Weise selbst ersäuft?»
«Nein.»
«Eben.» Steiner kratzte sich erneut an der Glatze. «Und da ist noch mehr. Sein Mund war mit Angelschnur zugenäht.»
« Wie bitte? Zugenäht?»
«Ja, mit Angelschnur.» Er schaute mich ausdruckslos an und ergänz te: «Und in seinem Mund war Geld.»
«Geld?»
«Geld.»
Irgendwie wollte ich es nicht glauben. «Echt? Geld ?»
«Ja, Geld ! Moneten. Knete.»
«Was, Münzen, Scheine, oder wie?»
«Scheine.»
«Ich dachte, der Mund war zugenäht?»
«Die von der Rechtsmedizin haben ihn heute geöffnet. Rate mal, wie viel drin war?»
Irgendwo hatte ich vor ein paar Monaten gelesen, dass die albani sche Drogen mafia ihren Opfern manchmal grössere Beträge in den Mund steckte, wenn diese zum Beispiel wegen Unterschlagung umge bracht wurden. Unterschlagung von Mafiageldern, versteht sich. Es war ein Zeichen der Verachtung und eine Warnung an potentielle Nach ahmer. Von Zunähen war dabei allerdings nicht die Rede gewesen. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, und so antwortet e ich aufs Geratewohl : «Ein paar Tausend?»
«Ja, würde man meinen, nicht? Aber es waren ganze fünfzig Fran ken. Fünf Zehnernoten.»
So viel zu meiner Theorie. Trotzdem fragte ich: «Können es die Albaner gewe sen sein?»
Steiner zog die Augenbrauen hoch. «Das war auch mein erster Ge dan ke, aber die würden den Mund wohl eher mit ein paar Tausend ern zu stopfen. Sogar bei einem ganz kleinen Fisch sicher mit ein paar Hundert ern . Hab ‘ ich zumindest gelesen. In der Schweiz hatten wir zum Glück noch keinen solchen Fall, soweit ich weiss. Zur Sicherheit werde ich aber die vom Gift mal bitten, ihre Kontakte abzuklappern und herum zu fragen, ob ihnen Hasanović bekannt ist.» Da die albanische Mafia im Drogenhandel aktiv war, wusste die Drogenfahndung am ehesten Bescheid. Steiner trommelte mit seinen Fingern abwesend auf seinem Lenkrad herum. «Vorausgesetzt natürlich, er ist es überhaupt. Nach ein paar Tagen im Wasser sieht niemand mehr wie auf seinem Passfoto aus.»
«Keine Ausweise?»
«Nein, nichts. Die Leiche war nackt. Aber eben, die Narben waren gut sichtbar und stimmen mit deiner Beschreibung überein. Um sicher zu gehen, müssen ihn
Weitere Kostenlose Bücher