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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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mit dem Scheiss, van Gogh. Ich hab was, das könnte dich interes sie ren.»
    Den Tonfall kannte ich. Schlagartig wurde ich ebenfalls ernst. «Okay, was ist passiert?»
    «Die vom Wasserschutz haben bei einer Übung in der Nähe von Wol lis hofen eine Leiche aus dem Wasser gezogen.»
    Die Wasserschutzpolizei der Stadtpolizei Zürich übernahm auf Stadtgebiet die seepolizeilichen Aufgaben, inklusive der Suche nach Gegenständen und Personen unter Wasser. Mein Herz schlug schneller. Scheisse!
    «Hasanović?»
    «Könnte sein. Die Beschreibung, die du mir gegeben hast, passt auf jeden Fall.» Etwas raschelte im Hörer. Ich nahm an, dass Steiner seine Notizen konsultierte. Nach kurzer Pause fuhr er fort: «Männlich, die Grösse kommt in etwa hin, das Alter wahrscheinlich auch. Und er hat die Narben, von denen du mir erzählt hast.»
    «Wie lange war er im Wasser?»
    «Das wissen wir noch nicht. Du weisst, wie das mit Wasserleichen ist. Die Fische nagen daran und das Wasser beschleunigt den Verwe sungs prozess. Ich würde auf nicht mehr als zwei Wochen tippen, aber G enaue res kann nur die Rechtsmedizin sagen.»
    Steiner hielt inne. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er überlegte. Dann fuhr er fort: «Da ist noch was.»
    Ich kannte ihn auch gut genug, um zu wissen, dass ich ihn nicht unterbrechen sollte. Daher wartete ich geduldig , bis er fast hörbar zu einem Entschluss kam, bevor er fragte: «Wo bist du jetzt?»
    «Oerlikon.»
    «Allein?»
    «Ob ich mit jemandem hier bin? Nein. Ich bin im Ip’s . Aber es hat massenhaft Leute hier, ja.»
    «Okay. Was ich dir zu sagen habe, geht sonst niemanden etwas an. Ich hole dich ab. Wir können im Wagen reden.»
    «Okay. Wann? Und was fährst du?»
    «In etwa einer Stunde. Ich ruf dich an, wenn ich da bin. Unmar kier ter blauer Opel Vectra.»
    «Okay.»
    Es war eine der längsten Stunden, die ich je verbracht hatte. Plötzlich schmeckte das Bier schal, so dass ich stattdessen einen Kaffee bestellte. Zur Ablenkung las ich den Tages-Anzeiger , aber eine Mischung aus professioneller Neu gierde und vorauslaufendem Mitleid mit der Witwe – wenn es denn Hasano vić war – verhinderte, dass ich mich auf die Lektüre konzentrieren konnte. Nachdem ich mindestens vierzig Mal auf die Uhr geschaut hatte, rief mich Steiner endlich an. Ich bezahlte , ortete seinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Pub und stieg ein.
    «Also», fragte ich ohne Umschweife, «was ist so abartig, dass du’s mir nicht am Telefon sagen konntest?»
    Steiner antwortete nicht direkt, sondern stellte eine Gegenfrage. «Willst du nicht zuerst einen kurzen Überblick?»
    «Klar, schiess los!»
    «Also : Die vom Wasserschutz waren gestern bei einer Tauchübung in der Nähe des Mythenquais. Meyer… » Er blickte mich fragend an.
    «Kannst du dich an Meyer erinnern?»
    «Rolf Meyer, ‹Meyer mit Ypsilon›?»
    «Genau der.»
    «Ja, klar. Guter Mann. Was ist mit ihm?»
    «Er war der zuständige Übungsleiter. Er war’s auch, der uns infor miert hat.»
    «Was», fragte ich ironisch, «ohne den Dienstweg einzuhalten und den Vorge setzten die Möglichkeit zu geben, über Zuständigkeiten zu streiten?»
    Trotz der eigentlich klaren Rechtslage, welche die Kantonspolizei für die Ermittlungen in allen Tötungsdelikten zuständig erklärte, unterhielt die Stadtpolizei Zürich weiterhin eine Fachgruppe Gewaltdelikte innerhalb des Kommissariats Ermittlung . Meiner Meinung nach aufgrund der spezifischen Umstände in der Stadt mit gutem Grund, aber das war Ansichtssache. Die meisten Gewaltdelikte endeten zwar ohne Todesfolge, aber auch bei den eher seltenen Tötungsdelikten informierten die Damen und Herren ihre geschätzten Kollegen beim Kanton nicht immer so schnell, wie die sich das wünschten. Auf jeden Fall führten die mit dieser Frage zusam men hän gen den Friktionen zwischen Stadt - und Kantonspolizei oft zu unnöti gem Zeitverlust.
    «Ja, genau. Wie gesagt, ein guter Mann.»
    «Die Stapo sieht das vielleicht anders. Wann war das, gestern?»
    «Ja, gestern kurz vor Mittag.»
    Verärgert starrte ich ihn einen Moment lang schweigend an und fragte dann säuerlich: «Wieso zum Teufel hast du mich dann erst heute angerufen?»
    Er starrte zurück und schwieg ebenfalls ein paar Sekunden lang, bevor er schliesslich sichtlich gereizt antwortete: «Du weisst genau, wie sowas läuft. Gestern hatte ich einfach keine Zeit. Sei lieber froh, dass ich dir das überhaupt weiterreiche. Das könnte mich meinen Job kosten. Du bist

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