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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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sichtbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um Hasanović handelte, war sehr gering.
    Steiner wandte sich an unsere unwillige Gastgeberin. «Frau Doktor, wären Sie bitte so freundlich, meinen Kollegen hier über den Befund der Obduktion zu orientieren? Wiederholen Sie einfach, was Sie mir schon heute Nachmittag erzählt haben.»
    Doktor Vetach nickte müde. «Selbstverständlich.» Sie drehte sich zu mir um. «Gut, wo fangen wir an… Äussere, dann innere, würde ich sagen.» Sie nickte nochmals, wie wenn sie sich selbst zustimmen würde. «Also, unser Mann hier verstarb vor ungefähr zehn Tagen unfreiwillig und war etwa gleich lange im Wasser. Wir können den Zeitpunkt natürlich nicht auf die Minute genau be stimmen. W ie Sie sehen, sind die sonst charakteristischen Totenflecken wegen der Art, wie er im Wasser sozusagen schwebte, nur an den Beinen gut sichtbar. Hingegen weist sein Oberkörper zahlreiche Hämatome auf, welche darauf schlies sen lassen, dass er massiv zusammengeschlagen wurde.»
    Tatsächlich war der Körper auf dem Metalltisch vor mir mit verbli chenen Blutergüssen regelrecht übersät. Oder vielleicht waren sie nicht verblichen, sondern auf der verfärbten Leiche einfach nicht mehr gut sicht bar. Verblichen Blutergüsse an Leichen überhaupt? Ich wusste es nicht.
    «Hatte er innere Verletzungen», hakte ich nach, «die mit dieser Erkenntnis übereinstimmen?»
    Ihrem Ton nach schien sie es nicht besonders zu schätzen, wenn Laien sich anmassten, Fragen zu stellen. «Ja, absolut, aber darauf komme ich nachher, wenn’s recht ist.»
    «Selbstverständlich, entschuldigen Sie.» Ich lächelte aufmunternd. «Fahren Sie bitte fort.»
    «Hier beim Mund sehen Sie einen Quetschriss, wie wir ihn oft bei Ver letzun gen sehen, die von einem Schlagstock oder allenfalls Schlagring verursacht werden. Der abgesplitterte Zahn dahinter unterstützt dieses Bild.» Sie zeigte mit einem glänzenden metallenen Zeigestock, der aussah wie eine Radioantenne, auf den linken Mundwinkel des Toten. «Ebenso ist sein Schädel im Bereich der äusseren rechten Sutura coronalis gebrochen, und…»
    «Im Bereich der was?», unterbrach ich sie.
    Der missbilligende Ausdruck in ihren Augen war unmiss verständ lich: Wie konnte man diese einfache lateinische Bezeichnung nicht ken nen? «Im Bereich der Kranznaht. Hier.» Ihr Zeigestab zeigte auf die rechte Schläfe, wo ein zweiter Quetschriss mit den charakteristischen un regel mässigen Wundrändern sichtbar war.
    «Und was hat den Schädelbruch verursacht?» Die Frage schien mir logisch genug.
    Mit vielsagender Miene meinte sie sarkastisch: «Gewalteinwirkung, würde ich sagen.»
    Steiner warf mir einen warnenden Blick zu. Ich ging nicht auf ihren Spott ein. «Können Sie aus Form und Grösse etwas ableiten?»
    «Stumpf, circa fünf auf zehn Zentimeter.» Sie zeigte mit ihren Fingern die ungefähre Grösse an. «Hart. Stahl oder Eisen, wäre meine erste Vermutung, obwohl dann die Ränder eigentlich schärfer sein müssten. Vielleicht eines dieser mit Leder bezogenen Metallrohre, aber das müsste dann riesig sein.»
    Im Gegensatz zu ihr hatte ich ähnliche Wunden schon mehrfach gesehen, und so fragte ich: «Wäre es möglich, dass diese Verletzung von einem Stiefel verursacht wurde?»
    Sie blickte mich skeptisch an. «Ein Stiefel?»
    «Kein Damenstiefel, natürlich. So was wie ein Armeestiefel. Mit Stahlkappen vorne drin. Wenn jemand zusammengeschlagen wird, kommt es oft vor, dass das Opfer getreten wird, wenn es am Boden liegt. Bücken ist anstrengend, und ein Tritt hat mehr Power als ein Faustschlag.»
    Es war ihr ganz offensichtlich nicht recht, dass weder die zuständige Rechts medizinerin noch sie selbst daran gedacht hatten, und sie war sichtlich irritiert. Trotzdem antwortete sie schliesslich widerwillig : «Ja, ich nehme an, das wäre möglich.»
    Ich lächelte sie aufmunternd an. «Die Dimensionen würden ungefähr stimmen, nicht? Ich trage Schuhgrösse fünfundvierzig. Wenn Sie meine Turnschuhe anschauen, sehen Sie, dass das in etwa hinkommt. Ein Stiefel wäre noch etwas grösser.»
    «Tatsächlich, das scheint mir plausibel.» Sie schien verblüfft darüber, dass jemand ohne Doktortitel einen halbwegs vernünftigen Gedanken fassen konnte, fing sich aber rasch wieder. «Na schön, ich werde das morgen mit Frau Professor Hinterberger besprechen. Soll ich nun fortfahren?»
    «Ja, bitte.»
    «Also… hier im Halsbereich sehen Sie eine grössere Punktion…» Sie

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