Sonnenfinsternis: Kriminalroman
etwas im Milieu ablief, dann wusste Blerim davon. Ich kannte ihn seit fast zehn Jahren, seit meiner Zeit als junger Strei fen polizist, und hatte ihm während dieser Zeit mehrmals aus der Patsche geholfen. Er schuldete mir etwas. Und was noch besser war: Er hatte eine Heidenangst vor mir.
Ich hörte eine Stimme hinter der Tür etwas murmeln. «Mach auf, Blerim», sagte ich mit Nachdruck, «ich bin’s, van Gogh.»
Einen Moment lang herrschte Stille, dann fragte er vorsichtig: «Van Gogh? Was willst du von mir?»
«Wo ist deine Mutter?»
«Sie ist bei Verwandten. Was willst du?»
«Ich will, dass du die verdammte Tür aufmachst, Blerim, sonst trete ich sie ein!»
Er glaubte mir offensichtlich, denn gleich darauf hörte ich ihn zuerst am Vorhängeschloss und dann am Türschloss herumfummeln. Einige Sekunden später öffnete sich die Tür und Blerim blinzelte mich verlegen an. «Van Gogh, alter Kumpel, wie geht’s dir? Lange nicht mehr gesehen.» Sein zerknitterter violetter Anzug war zu gross für seinen schmächtigen Körper. Er hatte eine neue Narbe unter dem linken Auge, aber ansonsten sah er aus wie immer, mit Hakennase, südländi schem Teint und kurzen schwarzen Haaren.
Ich packte ihn am Kragen, zog ihn nahe zu mir heran und schloss die Tür hinter mir. «Hallo, mein Hübscher.»
Er versuchte sich zu befreien. «Hey, was soll das? Geht man so mit alten Freunden um?»
«Wenn ich befürchte, dass mich der ‹ alte Freund› verarschen will…»
Ich hielt in immer noch am Kragen fest, und er musste schräg nach oben schielen, um mich entgeistert anzustarren. «Wovon um alles in der Welt sprichst du? Ich habe dich jahrelang nicht mehr gesehen. Weshalb sollte ich dich verarschen wollen?»
«Das wirst du gleich merken. Ich habe ein paar Fragen an dich.»
«Na schön.» Er strampelte mit den Beinen und versuchte erneut erfolglos, sich zu befreien. «Aber lass mich zuerst los, damit wir wie zwei zivilisierte Menschen miteinander reden können.»
«Wie du meinst.» Ich liess ihn los.
Er strich sich den Hemdkragen glatt, zog sich das Jackett zurecht und blickte mich misstrauisch an. «Also, was gibt’s?»
Ich zog das Foto von Mujo Hasanović aus der Jackentasche und hielt es ihm vor das Gesicht. « Sag mir, wer dieser Mann ist! »
Entgeistert starrte er mich mit offenem Mund an. Nach ein paar Sekunden stammelte er: «Aber… ich… woher soll ich das denn wissen? Den habe ich noch nie gesehen.»
«Bist du sicher?»
«Ja, hundertprozentig.»
«Du hast ihn wirklich noch nie gesehen?»
«Nein, wenn ich’s doch sage!»
«Wehe, du verarschst mich, Blerim!»
«Ich verarsche dich nicht, ich hab den Typen noch nie in meinem Leben gesehen! Du weisst, ich würde dich nie anlügen!»
Ich lachte trocken. «Natürlich würdest du das, und zwar ohne n achzudenken, wenn du einen Vorteil davon hättest. Aber na schön, nehmen wir mal an, ich glaube dir. Vielleicht kannst du mir trotzdem weiterhelfen.»
«Sicher, wenn ich kann. Was ist denn mit dem Typ? Schuldet er dir Geld?»
«Nein. Er ist tot.»
Das schien ihn nicht im Geringsten zu schockieren. «Mord?»
«Genau.»
«Ein Albaner?»
«Bosnier.»
Er nickte nachdenklich. «Und wieso kommst du dann zu mir?»
«Wegen der Art, wie er umgelegt wurde. Man hat ihn gefesselt und im See versenkt, mit einem Gewicht an den Füssen. Sein Mund war voller Geld und seine Lippen zusammengenäht.»
Auch das schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. «Ziemlich übel», war sein einziger Kommentar.
«Ja», erwiderte ich, «das finde ich allerdings auch. Was fällt dir sonst noch dazu ein?»
Nachdenklich antwortete er: «Klingt nach dem Begu-Clan. Das ist ihr Mar kenzeichen.»
«Begu? Sind das Kosovaren?»
«Nein, die sind aus Albanien. Ich habe aber noch nie gehört, dass sie in der Schweiz operieren. Hier sind vor allem kosovarische Gangs am Werk, wie du ja weisst.»
«Erzähl mir trotzdem mehr von diesem… wie heisst der Clan?»
«Begu-Clan. Ich weiss nichts über die. Nur, dass sie extrem gewalt tä tig vorgehen und dass das mit dem Geld im Mund ihr Marken zeichen ist. Damit drücken sie ihre Verachtung aus.»
«Und das soll ich dir glauben? Du bist doch sonst immer so gut informiert.»
Er warf mir einen gequälten Blick zu. «Ich schwör’s.»
«Beim Leben deiner Mutter?»
«Ja.»
«Sag es!»
Er seufzte. «Ich schwöre beim Leben meiner Mutter. Ich weiss nichts über die ausser dem Namen und dass sie Gerüchten nach manchmal jemanden auf diese Weise
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