Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Zadas Umschlag hervor, öffnete ihn und nahm den gehefteten Stapel Papiere heraus.
Tatsächlich, das komplette Ermittlungsdossier des Hasanović-Fall s . Nachdem ich an allerlei im Moment uninteressanten Detail info r matio nen vorbei geblättert hatte, kam ich zum Ermittlungsprotokoll. Ich lehnte mich zurück, legte die Füsse auf den Schreibtisch – Mina war nicht da, um mich deswegen anzupöbeln – und begann zu lesen. Die Auflistung der unternommenen Bemühungen und befragten Personen war eine praktische Referenz, half mir aber im Moment nicht weiter. Interessant war allerdings, dass alle Veterinäre im Kanton befragt worden waren und man an die Nachbarkantone Anträge gestellt hatte, dort dasselbe zu tun. Mit – ich blätterte um – negativem Ergebnis. Aha .
Auch der schriftliche Obduktionsbericht bot nichts Neues. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte.
Also blieb noch der toxikologische Bericht. Bingo!In Hasanovićs Körper wurden Spuren von Xylazin und Ketamin gefunden. Prof. Hinterberger, die zuständige Rechtsmedizinerin, hatte an dieser Stelle handschriftlich ver merkt, dass diese Mittel zwar auch oral verabreicht worden sein k o nnten, höchstwahr schein lich aber ein Zusammenhang mit dem Einstich an Hasanovićs Hals bestand. Aus den im Körper enthaltenen Restmengen hatte sie geschlossen, dass die Dosis hoch genug gewesen war, um zum Versagen des Atem- und Kreislauf zent rums und somit zum Tod zu führen. Da hatten wir es.
Ich schaltete meinen Laptop ein und recherchierte ‹ Xylazin › und ‹Ketamin › sowie die Kombination der beiden Ausdrücke auf dem Internet. Anscheinend war Keta min ein Cyclohexanonderivat, was immer das war, und wurde in der Human- und Tiermedizin zur Narkose eingesetzt. Xylazin war ebenfalls ein Betäubungs mittel aus der Tiermedizin. Und eine Kombination davon wurde in der sogenann ten Hella brunner Mischung verwendet , welche fünf Teile Xylazin und vier Teile Keta min enthielt. Gemäss Wikipedia wurde diese Mischung von Henning Wiesner ent wickelt, dem Direktor des Tierparks Hellabrunn, um mittels Blasrohr, Gewehr oder Pistole Tiere aus der Entfernung zu betäuben. Da hatten wir es. Deshalb also auch die Befragung der Veterinäre und Tierklinikmitarbeiter.
Ich ermahnte mich, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen und nur die Fakten zu betrachten. Tatsache war, dass Hasanović also sozusagen dreifach ermordet worden war: Sowohl das Betäubungsmittel wie auch der Leberriss und natürlich auch das Wasser hätten ihn früher oder später getötet. Alles deutete darauf hin, dass es sich um eine genau geplant e Tat handelte . Ich ging nicht davon aus, dass er erst am See umgebracht worden war. Wozu sonst die Hellabrunner Mischung? Sie hätten ihn ja nur mit einem Gewicht beschwert ins Wasser werfen müssen . Also war es wahrscheinlicher, dass er anderswo betäubt und dann zum See gekarrt worden war .
Ich blätterte zurück. Die Befragung einer grossen Anzahl Personen rund um den Fundort hatte ergeben, dass absolut niemand etwas gesehen hatte. Oder gesehen haben wollte. Das überraschte mich nicht.
Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte, es half nichts: Ich wusste immer noch nicht genug, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Aber das Ergebnis des toxikologischen Berichtes war zumindest endlich etwas Handfestes. Die Hinweise in diesem Fall waren bisher so dünn gesät, dass ich für jeden einzelnen dankbar war, auch wenn ich noch nicht wusste, was er bedeutete. Das einzige, woran ich mich im Moment klammern konnte, war die Ähnlichkeit des Mordes an Hasano vić mit anderen Verbrechen im Ausland. Der zugenähte, geldgefüllte Mund wies auf die Albanische Mafia hin, auch wenn der Betrag dafür eigent lich viel zu niedrig war. Ich kannte keine albanischen Mafiosi und ich hatte auch keinerlei Ahnung, wie ich an welche herankommen sollte. Aber ich kannte zumindest einen albanischen Kleinkriminellen.
Um Punkt halb vier Uhr nachmittags läutete ich die Klingel zu Blerim Mekulis Wohnung. Das heisst, eigentlich war es die Wohnung seiner Mutter. Blerim war im Kosovo geboren worden, lebte aber seit seiner Kindheit in Zürich und wohnte trotz seiner zweiunddreissig Jahre immer noch zu Hause. Er war ein kleiner Fisch, der immer noch Nacht für Nacht durch das Zürcher Rotlichtviertel streifte und versuchte, Rauschgift und gestohlene Waren an den Mann und ab und zu auch an die Frau zu bringen. Aber vor allem war er ein Schwamm für Informa tio nen aller Art. Wenn
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