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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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einmal ohne ihn mit ihr zu sprechen.
    In diesem Moment kündigte das Vibrieren meines Handys eine neue SMS an. Die Nummer des Absenders war mir unbekannt. Die Nachricht selbst war zwar kurz aber verblüffend: «Bitte kommen sie zu mir. Wir reden. Jasmina»
    Heilige Scheisse! Unwillkürlich stiess ich einen lauten Fluch aus, was mir einen finsteren Blick der verkaterten Mina einbrachte. Ich ignorierte sie und las die Textnachricht nochmals. Die Eisprinzessin! Das war zu viel . Genau in dem Moment, in dem ich an sie gedacht hatte?Hatte Sie die Nachricht selbst geschrieben oder hatte ihr jemand geholfen? Eigentlich hatte sie ja nie konkret behauptet, kein Deutsch zu sprechen, sondern einfach nie etwas in dieser Sprache gesagt. Ich Depp hatte daraus natürlich automatisch geschlossen, dass sie es nicht konnte. Aber nichts sagen in einer Sprache ist ja bekanntlich nicht das gleiche wie eine Sprache nicht sprechen.
    Ich schrieb zurück: «Wann und wo?»
    Kaum eine Minute später kam die Antwort: «Bald bitte , in meiner Wohnung . »
    Ich war nun wirklich neugierig und schrieb zurück: «Ok. 2 h.»
    Zwei Stunden sollten ausreichen, um hinzufahren und ihre Wohnung eine Weile lang im Auge zu behalten, bevor ich läutete. Nur um sicher zu gehen, dass sich nicht noch jemand für die Hasanović – oder mich – interessierte. Aber natürlich nützte das nur etwas, wenn die Eisprinzessin nicht selbst in die Sache verwickelt war.
     
    Fast auf die Minute genau zwei Stunden später drückte ich auf Jasmina Hasanovićs Klingelknopf. Das Gebäude sah auch auf den zweiten Blick aus wie eine Legehennenbatterie.
    Ich trug eine schwarze Windjacke, Jeans und weisse Turnschuhe. Mein dunkel blaues Sweatshirt verdeckte den Griff meiner Beretta. Ich war nervös und neu gierig.
    Die Eisprinzessin öffnete die Tür. Erneut hatte ich den komischen Eindruck, dass sie seit unserer ersten Begegnung um mindestens zehn Jahre gealtert war. Sie trug einen schwarzen Rock und eine dunkel braune Bluse, aber kein Kopftuch. Ihre langen schwarzen Haare waren in einem Knoten zusammengesteckt. Mit einer Handbewegung bedeute te sie mir stumm, ich solle eintreten. Dann führte sie mich durch den Flur ins Wohnzimmer.
    Ich hatte halbwegs erwartet, eine opulente orientalische Innenein richtung wie bei Kulenović vorzufinden, bei dem ich vor Jahren einmal zum Essen eingeladen gewesen war, aber die Wohnung der Hasanovićs war spartanisch und funktional, ohne Brimborium und irgendwie auch ohne Wärme. Nach meiner Erfahrung verwandelten viele Migranten ihre Wohnungen in eine Art Schrein für ihre alte Heimat. Bei mir hing und stand zum Beispiel allerhand Firlefanz aus Chicago herum. Bei Ivica zu Hause war alles voll mit kroatischem Krimskrams. Aber an den weissgetünchten Wänden der Hasanovićs hingen nur einige dunkle Holz rah men mit Fotos von Personen und Landschaften darauf , sonst nichts . Die erste Hälf te des Raumes wurde von einem hölzernen Esstisch und vier Stühlen belegt , in der andere n stand ein billig es dreiteiliges rotes Sofa an der Wand , flankiert von einem abgewetzten, aber gemütlich wirkenden Ledersessel und einigen Pflanzen. Ausge richtet war das Ensemble auf ein en an der gegen über lie gen den Wand stehende n vorsintflutlichen Fernseher auf einem einfachen weissen M öbel. Sonst war der Raum leer. Bis auf die Fotos hätte es gerade so gut die Dienstwohnung eines Beamten sein können. Wenn es sowas noch gab.
    Etwas verloren stand ich in der Mitte des Raums und schaute die Eisprinzessin erwartungsvoll an. Bisher hatte sie immer noch kein Wort gesagt.
    Das konnte ja heiter werden . Vielleicht war ein Übersetzter doch keine so schlechte Idee. Aber ausser uns war niemand da, und plötzlich sprach sie doch, auch wenn sie dabei aus dem Fenster schaute. «Danke fürs Kommen.»
    Ich war so verblüfft, dass ich keine Antwort gab.
    Schliesslich schaute sie mir in die Augen und meinte mit einem Achselzucken: «Ja, ich spreche Deutsch.» Sie hatte einen deutlichen Akzent und sprach eine eigentümliche Mischung aus Hochdeutsch und Zürcher Dialekt, aber sie redete flüssig und bisher fehlerfrei.
    Das erste, was mir in den Sinn kam, war: «Und wieso haben Sie mir das nicht schon früher gesagt?»
    «Bosnische Frauen sollen nicht allein mit fremden Männern reden.»
    Auch ihre Grammatik war gut. Aber nach allem, was ich bisher gelesen hatte, war die bosnische Kultur tolerant und die Interpretation des Islams liberal. Es schien mir also wahrscheinlicher,

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