Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
misstrauisch? Ich sehe, wie du herumfliegst und nach einem Weg hinaus suchst. Warum kannst du es nicht einfach genießen?“
„Ich kann nicht glauben, dass dies das richtige Ende ist.“
„Alles passt doch, Schatten. Das Licht des Tages, keine Eulen, die Menschen helfen uns. Das ganze Große Versprechen.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte er gereizt. Er hatte es selbst überdacht, immer wieder, als ob man auf einem Stein kaute, bis er zu Staub zerfallen war, zu nichts. „Aber nicht einmal die Sonne ist die gleiche. Sie ist in Wirklichkeit heller als die hier. Du hast sie doch mit mir zusammen gesehen, erinnerst du dich?“
„Es war draußen zu schmerzhaft sie anzusehen. Auf diese Weise können wir sie genießen. Schatten, warum sollten die Menschen sich sonst all die Mühe geben, diesen Ort für uns zu machen?“
„Komm mit“, sagte Schatten. „Ich will dir noch etwas zeigen, was ich gefunden habe.“
Er führte sie niedrig über die Baumwipfel und merkte, dass er nach mehreren Nächten zum ersten Mal glücklich war. Er war schon so froh darüber, sie nur neben sich zu haben, ganz für sich allein, so wie früher, zusammen mit ihr irgendwohin zu fliegen. Die Reise dauerte allerdings nicht lange. Der Wald war, wie ihm bei seiner ersten Erkundung klar geworden war, zwar äußerst lang, aber verhältnismäßig schmal. In der Oberfläche der Felswand befand sich oberhalb der Baumwipfel ein breites Fenster.
Und hinter dem Fenster waren die Menschen. Schatten ließ sich mit Marina gerade oberhalb des Fensters nieder, sodass sie kopfüber nach unten hängen und einen Blick hindurch werfen konnten. Sie sahen fünf Menschen, zwei standen, die anderen saßen. Alle trugen weiße Gewänder. Auf der anderen Seite des Glases waren sie nur ein paar Flügelschläge entfernt. Er erinnerte sich, wie er vor langer Zeit Menschen in der Kathedrale der Stadt beim Gebet beobachtet hatte. Er hatte sie so sehr bewundert, ihre Größe, ihre Macht. Hier wirkten sie noch großartiger.
Der Raum, in dem sie sich aufhielten, war völlig dunkel und ihre Gesichter und Körper wurden in Licht gebadet, das von verschiedenen glänzenden Metalloberflächen kam. Ein Paar unterhielt sich, Schatten konnte sehen, wie sich ihre Münder bewegten. Selbst wenn er sie hören könnte, wären ihre Worte für ihn ohne Bedeutung. Die anderen schauten zum Fenster heraus. Schatten wusste, dass von ihrem hochgelegenen Beobachtungsplatz aus der größte Teil des Waldes zu überblicken war.
„Sie beobachten uns“, sagte Schatten. „Vielleicht studieren sie uns.“
„Vielleicht“, sagte Marina gleichgültig. „Na und?“ „Da ist der Mann.“
Er deutete mit dem Kopf auf die männliche Gestalt, die in der Mitte des Raumes stand und auf eine Art Maschine klopfte. Er war groß und schlaksig, mit einem ungepflegten schwarzen Bart und einem Auge, das immer halb geschlossen schien.
„Was meinst du mit‚ der Mann‘?“, fragte Marina.
„Erinnerst du dich, wie Goth von ihm erzählt hat? Als er und Throbb in dem künstlichen Dschungel waren? Er hat gesagt, da war ein Mann, der sie die ganze Zeit beobachtet und ihnen ins Gesicht geleuchtet und sie mit Nadeln gestochen hat.“
„Du weißt nicht, ob es der gleiche Mann ist.“ „Nein, aber...“
„Okay, nehmen wir mal an, es ist der gleiche. Jeder Mensch, der versucht Goth zu fangen und ihn in Gefangenschaft zu halten, ist doch in Ordnung.“
„Sie halten auch uns in Gefangenschaft, Marina.“
Für einen Augenblick schwieg sie. Als sie dann sprach, klang ihre Stimme ungeduldig. „Warum machst du dir überhaupt die Mühe an Goth zu denken. Er war ein Lügner, er wollte uns vernichten und deine ganze Kolonie dazu. Soweit wir das beurteilen können, hat er sich die ganze Geschichte ausgedacht. Vielleicht gab es gar keinen künstlichen Dschungel, keinen Mann.“
„Goth und Throbb waren auch beringt. Und die Menschen sind in ihrer Flugmaschine gekommen, um nach ihnen zu suchen. Beinahe bin ich von einem ihrer Pfeile getroffen worden, erinnerst du dich?“
„Natürlich erinnere ich mich“, sagte sie ärgerlich. Sie seufzte. „Sie leuchten uns nicht ins Gesicht oder stechen Nadeln in uns hinein. Arkadia ist seit zwei Monaten hier und bislang ist ihr nichts Schlimmes passiert. Alle sind anscheinend ziemlich glücklich, glaubst du nicht auch?“
„Sehr glücklich“, murmelte er. Er schaute sie aufmerksam an. „Fühlst du dich überhaupt nicht wie eine Gefangene?“
„Du bist so
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