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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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die Schultern. Die Begrenzung rührte sich nicht.
    „Marina!“, rief er. „Marina!“
    Es kam keine Antwort. Er hoffte, dass sie entkommen war, aber vielleicht schwebte sie noch in der Nähe der Decke und musste hilflos zusehen.
    Hände in Handschuhen schlossen sich um ihn und er schrie ängstlich auf. Eine zweite Hand schoss auf ihn zu. Diese hielt eine lange, bösartig scharfe Nadel, länger als die einer Kiefer, lang genug, um ihn vollkommen aufzuspießen. Wieder wurde er auf den Rücken gedreht. Während er sich noch wehrte, wusste er schon, dass es umsonst war. Diese Hände, die ihn hielten, konnten ihm, wenn sie wollten, die Knochen zerdrücken. In jedem ihrer Finger konnte er die dumpfe Kraft spüren. Er schrie auf, als er die Nadel auf sich zukommen sah. Ihre Spitze biss in den nackten Fleck auf seinem Bauch, aber ging nicht tiefer. Erleichtert beobachtete er, wie sie wieder herausgezogen wurde. Die Hände ließen ihn frei.
    Er schaute auf seinen Bauch. Eine kleine Schwellung brach auf, wo ihn die Nadel gestochen hatte. Er berührte die Stelle mit der Flügelspitze. Sie fühlte sich merkwürdig dick und taub an, als wäre sie überhaupt kein Teil von ihm.
    Wieder bewegte er sich. Mühsam drehte er sich wieder auf den Bauch, hielt die Flügel eng angelegt, um sein Zittern zu unterdrücken. Trotzdem zitterte er weiter. Er beobachtete, wie die Menschen auf ihn zuglitten, ihre Gesichter wurden durch das Glas beunruhigend verzerrt. Sie schauten ihm nicht in die Augen. Warum?, wollte er sie fragen, aber ihre Gesichter waren ausdruckslos und nur auf ihre Aufgabe konzentriert. Verzweifelt suchte er in den Gesichtern nach einem Anzeichen von Mitleid, von Wärme, von Anteilnahme. Aber er bedeutete ihnen nichts. Ein tief greifendes, zorniges Gefühl der Erniedrigung überkam ihn – zu denken, dass seine Kolonie einmal gedacht hatte, die Menschen wären ihre Freunde und würden ihnen helfen, und nun so behandelt zu werden!
    Hinter den Wänden auf beiden Seiten konnte er den heiseren Atem von Fledermäusen hören.
    „He! “, rief er der Fledermaus vor ihm zu. „Wie heißt du?“
    Keine Antwort.
    „Was haben sie mit dir gemacht?“
    Er hörte nur ein Winseln. Schatten schauderte. Vielleicht war es besser, er wusste nicht, was ihn erwartete.
    Er kam zu einem Halt. Er schaute auf die runden Öffnungen in den Wänden des Trogs. Er wartete darauf, dass Hände hindurchstoßen würden, und fragte sich, was für schreckliche Werkzeuge sie dieses Mal halten würden. Er brauchte nicht lange zu warten. Vier Hände drängten gleichzeitig von beiden Seiten in seine Abteilung und dieses Mal wehrte er sich. Mit gebleckten Zähnen stürzte er sich auf die Finger und versuchte durch die Handschuhe zu dringen, damit es blutete. Er biss zu und zu seiner Freude hörte er den Menschen überrascht vor Schmerz aufschreien. Ein Paar Hände zog sich zurück.
    „Mir reicht’s!“, bellte Schatten.
    Aber die Hände kamen zurück. Sie hielten einen dünnen Metallstab und Schatten konnte ahnen, was das war. Er warf sich von einer Seite auf die andere, um ihm auszuweichen, aber schließlich streifte der Stab seinen Schwanz und der vertraute lähmende Ruck schoss ihm durch alle Glieder. Keuchend fiel er in sich zusammen.
    Und zwar auf den Rücken. Ein kleines Stück Metall wurde gegen die rasierte Stelle auf seinem Bauch gedrückt. Er hob den Kopf, um hinzusehen, aber nun waren zu viele Hände im Weg. Er sah eine zweite Nadel mit einer Art steifem Faden darin, dann merkte er entsetzt, dass sie ihm das Stück Metall am Bauch festnähten. Er sah kurz, wie die Nadel durch seine Haut stach und wieder herauskam, und er hatte nur ein ganz dumpfes Gefühl, als ob ihn ein stumpfer Gegenstand getroffen hätte. Immer wieder drang die Nadel durch ihn hindurch und befestigte die Metallscheibe an seinem Körper. Ein anderes scharfes Werkzeug tauchte auf und schnitt den Faden ab. Dann zogen sich die Hände zurück.
    Jetzt konnte er es richtig sehen. Mitten auf dem Bauch befand sich eine runde, metallene Öse. Vorsichtig berührte er sie mit einer Kralle. Die Öse bewegte sich seitwärts, sodass sie platt am Bauch anlag. Sie war ein Teil von ihm. Sie hatten ihm ein Stück Metall angefügt. Es wirkte wie ein Fremdkörper auf seiner Haut. Schon entwickelte sich ein dumpfer Schmerz um die Stelle. Er dachte daran, wie er Marina und Frieda um ihre Ringe beneidet hatte, wie heftig er sich einen eigenen gewünscht hatte, diesen Gegenstand, den die Menschen wie

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