Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
wurde es viel kälter. Die Schritte knirschten.
    Schnee.
    „Draußen“, hörte er Chinook flüstern.
    Schattens Herz brach fast vor Sehnsucht. Auf der anderen Seite dieses Behälters war die Welt, und wenn er nur hinaus könnte, würde er die Flügel ausbreiten und sich in die Luft erheben und die Menschen würden ihn nie fangen. Er hämmerte mit den Flügeln gegen die Wände. Dann brachte ihn der Schmerz wieder zur Besinnung. Es war Unsinn, seine Kraft so zu vergeuden.
    Auf einmal wurden die Schritte härter und lauter, und sie hallten wider. Nun waren sie im Inneren von etwas, obwohl es nur geringfügig wärmer war. Mit einem Krachen wurde der Behälter abgesetzt.
    Laute, langsame Stimmen der Menschen ertönten überall um sie herum wie ein klagender Wind. Der Käfig ruckte grob hin und her und er fiel gegen Chinook.
    Andere Fledermäuse waren auch hier. Er konnte hören, wie ihre Stimmen außerhalb seines Behälters wie ein wirrer, geisterhafter Klagegesang anschwollen. Er erinnerte sich an den Echoraum im Baumhort, in den Frieda ihn vor so langer Zeit mitgenommen hatte, damit er die alten Geschichten hörte, Jahrhunderte von Klängen, die in der Luft flüsterten. Ist das alles, was von ihnen übrig bleiben sollte? Würden sie bald nur noch die toten Verursacher verlorener Klänge sein?
    Er spürte, wie Chinook näher an ihn heranrückte, dann rüttelte es, es gab einen fürchterlichen Krach von Metall auf Metall. Für ein paar Sekunden lastete Stille auf allem. Dann stieg ein tiefes, mächtiges Vibrieren um sie auf, durch den Boden des Behälters in die Knochen der Füße, des Rückgrats, der Brust. Für Schatten fühlte es sich so an, als wären sie im Bauch eines riesigen mechanischen Tieres.
    Man spürte einen Luftstrom und es knackte in den Ohren. Er schluckte und blickte zu Chinook. Beide waren zu verängstigt, um zu sprechen. Das Vibrieren wurde stärker, sodass es direkt aus dem Mark seiner eigenen Knochen zu kommen schien. Der ganze Behälter summte.
    Sie waren in Bewegung, nicht nur der Käfig, sondern auch das, was sie umgab. Schatten hatte ein Gefühl, dass sich etwas unendlich Starkes erst langsam, dann mit zunehmender Geschwindigkeit bewegte. Der Behälter neigte sich und instinktiv breitete Schatten die Flügel aus, um sein Gleichgewicht zu halten.
    Alle Fledermäuse waren in ein ängstliches Schweigen versunken, einige murmelten vor sich hin, vielleicht Gebete zu Nocturna. Schattens Kopf jedoch war leer und er schämte sich. Ich sollte nachdenken, sollte etwas tun. Aber das Einzige, was er tun konnte, war ganz dumm auf das zu warten, was als Nächstes kommen würde.
    Dann verebbten plötzlich die Vibrationen und Schatten hatte das merkwürdig vertraute Gefühl der Schwerelosigkeit.
    „Wir fliegen“, sagte er.

2. Teil

– 7 –
Im Flug
    Marina klammerte sich an die Außenseite der Flugmaschine, die sich schräg in den nächtlichen Himmel erhob. Der Wind zerrte an ihr, kreischte ihr in den Ohren. Sie wusste, dass sie sich nicht viel länger festhalten könnte. Einen Zentimeter weiter war eine kleine Einbuchtung in der Metallhaut, vielleicht könnte die sie schützen, wenn sie sie erreichte. Sobald sie sich bewegte, könnte sie allerdings den Halt verlieren, aber wenn sie sich nicht bewegte, würde sie mit Sicherheit weggeweht werden.
    Sie spannte sich an und hob die linke Kralle. Sofort riss der Wind sie los, schleuderte sie nach hinten durch die Luft. Sie hörte, wie eine der Flossen der Maschine an ihrem Kopf vorbeipfiff und sie beinahe in zwei Teile schnitt. Während sie durch die Luft taumelte, sah sie, wie die Flugmaschine, jetzt schon so weit von ihr entfernt, höher kletterte.
    „Nein!“, schrie sie, breitete die Flügel aus und jagte hinterher. Nicht größer als ein Vogel war die Maschine jetzt. An ihrem Bauch blinkten Lichter. Und sie trug Schatten davon. Ein gequältes Keuchen kam aus ihrem Mund, als ob der letzte Atemzug die Lunge verließe.
    Sie blickte der Flugmaschine nach, bis sie verschwunden war, und empfand ein mörderisches Gefühl des Verlustes, wie sie es nicht mehr gekannt hatte, seit ihre eigenen Eltern sie in die Verbannung geschickt hatten.
    Weg, weg, er war weg.
    Mit steifen Flügeln ließ sie sich in langsamen Spiralen von der Schwerkraft zurück zur Erde ziehen. Sie hatte alles gesehen, wie Schatten von der Metallstange der Menschen getroffen und in einem der Tröge eingesperrt worden war. Von der Decke aus hatte sie beobachtet, wie sein Körper unter dem Glas

Weitere Kostenlose Bücher