Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
sind direkt in den Wald gekommen und haben euch von den Schlafplätzen herabgezogen.“
„Meine Eltern?“, fragte Chinook und Schatten hörte den Anflug von Angst in seiner Stimme.
Er nickte. „Sie auch. Sie müssen in einem anderen Käfig sein“, fügte er beruhigend hinzu.
„Aber woher weißt du das?“, fragte eine andere Fledermaus. „Keiner von uns erinnert sich an irgendetwas. Wir sind einfach aufgewacht und die Menschen haben ... diese Dinge mit uns gemacht.“
„Ich bin nicht zur gleichen Zeit gefangen worden wie ihr. Wir sind im Wald aufgewacht und ihr wart alle weg. Also bin ich am nächsten Tag gekommen, um euch zu suchen. Ich habe einen Weg nach draußen gefunden – den Bach.“
Er war zu erschöpft, um jetzt auch die Sache mit den Eulen und Goth zu erklären.
„Ich bin in diesen Raum gekommen und habe alles gesehen, was sie mit euch gemacht haben. Sie haben mich geschnappt, als ich zu nahe herangekommen bin.“ Er fühlte, wie sich seine Kehle zuschnürte. „Und vielleicht auch Marina.“ Er konnte nur hoffen, dass sie hoch oben geblieben war und vielleicht den Weg zurück in den Wald gefunden hatte, um den anderen zu berichten.
„Marina ist mit dir gekommen?“, fragte Chinook. Schatten hatte den Eindruck, dass er darüber erfreut war.
„Ja“.
Chinook rückte näher an ihn heran und senkte die Stimme: „Also hat sie, du weißt schon, mich vermisst?“
Schatten betrachtete ihn und staunte, dass er in diesem Augenblick nach so etwas fragen konnte.
„Ich bin nämlich ziemlich sicher, dass sie mich mag“, vertraute ihm Chinook an.
„Was sind diese Dinger, die sie uns angehängt haben?“, fragte eine Fransenfledermaus und klopfte auf den Metallknopf in ihrem Ohr.
„Ich weiß es nicht“, sagte Schatten.
„Und diese schweren Scheiben, wofür sind sie?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Schatten wieder und ärgerte sich zunehmend.
„Wenn Arkadia hier wäre, sie wüsste es! Sie hatte Recht, was dich anbetrifft: Du bist nur ein Störenfried. Du weißt überhaupt nichts!“
„Ich weiß, wir sollten hier rauskommen!“, entgegnete Schatten. „Hat einer von euch es schon versucht?“
„Nein.“
Großartig, dachte Schatten, sie sind allesamt nutzlose Klötze. Muss ich denn immer alles allein machen?
„Warum sollten wir denn versuchen rauszukommen?“, fragte ein beringtes Langohr. „Woher wissen wir, dass dies nicht Teil des Großen Versprechens ist?“
„Gut, dann bleibst du eben hier“, sagte Schatten schnippisch. „Ich haue jedenfalls ab. Wer kommt mit?“
Eine Sekunde lang herrschte ein deprimierendes Schweigen und dann ...
„Ich.“ Es war Chinook.
Schatten fühlte eine Welle von Erleichterung und Dankbarkeit. „Dann lass uns losziehen.“ Er eilte zu der kleinen Öffnung an der Seite und steckte den Kopf durch. Es war ein fast senkrechter Schacht und hoch oben konnte er das Glas sehen, das sie einschloss.
Ein Glanzflügel taumelte plötzlich von oben auf ihn zu. Er drückte sich auf die Seite, gerade als die Fledermaus benommen in ihren Behälter hereingerutscht kam. Nicht Marina. Er fühlte eine Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung. Wenn sie noch frei war, konnte sie vielleicht Hilfe holen. Welche Art von Hilfe, konnte er sich im Augenblick nicht einmal vorstellen.
Ohne jede Vorwarnung ruckte plötzlich der ganze Behälter. Die Öffnung in der Seite wurde schnell durch eine Schiebeklappe verschlossen und die plötzliche absolute Dunkelheit löste unter den Fledermäusen panisches Entsetzen aus.
„Was passiert jetzt?“, jammerte eine Stimme.
„Ich halt es nicht mehr aus!“, rief eine andere.
Ihre Stimmen überlagerten sich und nahmen zu an Angst und Dringlichkeit. Schatten versuchte sie auszublenden. Mit dem Echosehen betrachtete er die Schiebeklappe und hörte ein deutliches metallisches Klicken, das von einem kleinen Loch in halber Höhe kam.
„Chinook, hilf mir, ja?“
Er sprang auf Chinooks Rücken und richtete sich auf den Beinen auf. Er konnte das winzige Loch gerade mit dem Daumen erreichen und hängte sich mit der Kralle hinein. Mit seinem ganzen Gewicht versuchte er die Klappe wieder aufzuziehen, aber sie ließ sich nicht bewegen. Irgendwie war sie in der Nähe des Loches verriegelt.
Der Behälter pendelte nun wild hin und her. Schatten rutschte von Chinooks Rücken und fiel auf den Boden. Er konnte die schweren Schritte von Menschen hören. Sie wurden irgendwohin getragen. Eine Tür öffnete sich zischend. Und ganz plötzlich
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