Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
und mit dem sie das Schloss öffnen konnten. Vielleicht konnte er sein eigenes Werkzeug machen – mit Klängen. Und das Schloss so öffnen. Er wusste nicht, was sich auf der anderen Seite der Schiebetür befand, aber er wollte nicht länger auf seiner Seite bleiben. Die anderen Fledermäuse duckten sich auf den Boden, einige starrten schweigend vor sich hin, andere murmelten verloren durcheinander. „Kannst du es aufmachen?“, fragte Chinook von unten.
„Ich hoffe doch.“
„Du kannst es“, sagte Chinook und nickte zuversichtlich. „Ich habe gesehen, wie du diese Steine herumgeschubst hast. Du kannst es.“
„Danke“, sagte Schatten. Chinooks Ergebenheit rührte ihn.
Er sang eine Klangnadel in die Öffnung hinein und beobachtete mit dem inneren Auge, wie sie an den Metallstücken abprallte und dabei bewirkte, dass sich das eine oder andere leise bewegte. Jetzt sah er auch die Teile, deren Stellung er ändern musste, drei von ihnen, und alle drei zur gleichen Zeit. Er holte tief Luft und sandte einen dreifachen Klangstrahl aus. Metall fiel herab und es gab ein kleines plopp , das an der Schiebetür rüttelte.
„Ich hab’s geschafft“, flüsterte er zu sich selbst, dann lauter: „Ich hab’s geschafft. Es ist offen!“
Die anderen Fledermäuse blickten zu ihm hoch.
„Aber wir wissen nicht, was auf der anderen Seite ist“, sagte das beringte Langohr. „Vielleicht sind wir hier besser dran.“
„Vielleicht ist dies das, was geschehen soll“, meinte eine andere Fledermaus hoffnungsvoll. „Arkadia hat immer gesagt, alles, was die Menschen tun, ist Teil des Plans.“
„Fühlt sich das hier so gut an?“, fragte Schatten bitter. „Als sie dort unten in uns hineingeschnitten haben? Diese Gegenstände an uns befestigt haben? Erinnert ihr euch nicht, wie schmerzhaft das war?“
Das schreckliche Wehklagen jenes Raumes hallte noch in seinem Inneren nach.
„Aber vielleicht sollen wir dieses Leid erdulden. Vielleicht ist es eine Probe?“, fragte das Langohr.
„Vielleicht“, antwortete Schatten, und für einen Augenblick wollte er sich auch auf den Boden legen, nur ausruhen und abwarten. War dies auch seinem Vater passiert? Wie sehr er wünschte, er könnte jetzt mit ihm sprechen.
Er schaute die Fledermäuse an und seufzte. „Die Schiebetür ist aufgeschlossen“, sagte er einfach. „Wer will, kann raus. Komm mit, Chinook, wir verschwinden von hier.“
Er sah ein kurzes Zögern durch Chinooks Körper zittern, aber dann folgte er Schattens Führung und zusammen krallten sie sich fest, zogen und drückten mit ihrem ganzen Gewicht an der Schiebetür. Langsam, aber gleichmäßig glitt die Klappe zur Seite, und auf der anderen Seite war ...
Noch eine schwarze Wand, die ihre Öffnung blockierte.
Chinook sackte zusammen.
Schatten betrachtete sie ärgerlich. Dann wurde ihm klar, dass es eine zweite Schiebetür war, identisch mit der ersten und auch mit dem kleinen Schlüsselloch.
„Noch ein Käfig“, sagte er.
Um sie herum hörte er schwache Fledermausgeräusche, erschöpftes Murmeln, gelegentlich einen Hilferuf.
„Vielleicht kann ich das ebenfalls aufschließen“, sagte Schatten.
„Was nützt das denn?“, jammerte hinter ihm ein Grauflügel.
„Es wird nur ein weiterer Käfig sein“, sagte eine zweite Fledermaus, „und wie sollen wir dann aus dem herauskommen?“
„Wir werden nie frei kommen“, winselte eine dritte.
„Es ist jedenfalls besser, als hier zu sitzen und abzuwarten“, sagte Schatten wütend. Wieder sprang er auf Chinooks Rücken und äugte mit Klang in das Loch.
Blöde Fledermäuse. Es war ihm egal, was sie sagten. Er würde weiter versuchen sich zu befreien, solange er lebte.
Offensichtlich befanden sie sich im Inneren einer Art Flugmaschine der Menschen. Und wenn es ihm gelang, aus allen diesen Käfigen herauszukommen, gab es vielleicht auch einen Weg aus der Flugmaschine. In die Luft. Zurück in die Welt.
Das Schloss war ein bisschen anders als das erste, aber er erkannte das gleiche Prinzip von herabfallenden Metallteilen. Er holte tief Luft, zielte und schoss seinen Klang ab. An dem kräftigen Klink erkannte er, dass er es geschafft hatte. Mit Chinook begann er die Schiebetür zur Seite zu drücken. Wahrscheinlich noch mehr nutzlose Fledermäuse da drinnen, dachte er und zog eine Grimasse.
Kaum hatten sie die Schiebetür ein paar Zentimeter bewegt, als eine gewaltige Schnauze durch den Spalt drängte und Schatten auf den Rücken warf. Er sah die Reißzähne
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