Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
vorbeigeglitten und von geschäftigen Händen weitergeschoben worden war. Sie hatte mitbekommen, wie Metall an seinem Körper befestigt wurde. Sie hatte ihn aufschreien gehört. Dann war er in den großen Behälter gefallen. Ein Mensch hatte diesen verschlossen, hochgehoben und zur Tür getragen. Sie war ihm gefolgt und durch die sich schließende Tür hinaus in das winterliche Zwielicht geschlüpft.
Da waren viele Menschen mit solchen Behältern gewesen, die sie durch den Schnee zu einer langen Straße trugen, an deren Ende die riesige Flugmaschine gestanden hatte. Ängstlich war sie auf Abstand bedacht, als sie die Behälter in den Bauch der Maschine luden.
Feigling, schimpfte sie sich bedrückt. Er war dein Freund, als niemand sonst das war, hat dir ein neues Zuhause bei den Silberflügeln gegeben. Du hättest in die Flugmaschine eindringen sollen. Dann würdest du wenigstens mit ihm reisen anstatt ihn verschwinden zu sehen.
Süden, das war die Richtung, in die der Apparat flog, genau nach Süden.
Unter Marina lag das Gebäude der Menschen und glitzerte kalt in der Dämmerung. Kein magischer Fledermausgesang umgab es jetzt, nichts lockte nun. Es war nur ein großer Haufen Stein und Metall wie alle ihre anderen Gebäude.
Frei, dachte sie bitter, ich bin jetzt frei. Aber nie hatte sie sich weniger frei gefühlt.
Berichte Ariel alles, berichte Frieda, das war der einzige Gedanke, an den sie sich klammern konnte. Sie musste wieder hinein. Alle mussten sie jetzt verschwinden, da war sie sicher. Frieda würde wissen, was zu tun sei. Sie könnten nach Süden fliegen, das Flugzeug einholen, Schatten suchen. Ja, das war’s. Schatten suchen.
Sie erkannte ein Stück des Daches, über das sie bei ihrer Ankunft geflogen waren. Nach ein paar Minuten entdeckte sie auch eine der Eingangsöffnungen. Sie flog darauf zu, dann schreckte sie ängstlich zurück.
Wenn sie da hindurchging, würde sie nie wieder herauskommen. Sie musste aber in der Lage sein wieder herauszukommen.
Hasserfüllt funkelte sie das Gebäude an.
Sie wollte es zerschmettern.
Zerschmettern!
Sie glitt niedrig über den Erdboden und suchte den größten Stein, den sie tragen konnte. Sie packte ihn mit den Fußkrallen, flog hoch, zielte und ließ ihn fallen. Sie beobachtete, wie er hinabstürzte und auf die Mitte einer Glasscheibe traf. Nichts. Nicht einmal ein kleiner Splitter. Wieder hob sie einen Stein auf, quälte sich mühsam in die Höhe und ließ ihn auf die gleiche Stelle fallen. Harmlos prallte er ab.
Das ließ ihr nur eine Wahl.
Sie musste einen der Eingänge benutzen.
Er öffnet sich nur in eine Richtung, sie erinnerte sich, wie Schatten das erklärt hatte. Auf keinen Fall würde sie sich wieder in diesen Wald einsperren lassen. Sie glitt niedrig über den Erdboden und schließlich entdeckte sie, was sie suchte. Einen Stock, dick und nicht zu lang. Sie packte ihn und flog zum Eingang.
Kaum war sie drinnen, versuchte sie sich zu erinnern, was das letzte Mal passiert war, wie schnell der Fall am Ende des Tunnels gewesen war. Sie begann ihren Weg nach unten und hielt an der Kante an, holte tief Luft, breitete die Flügel aus und ließ sich darüber hinweggleiten.
Funken stoben von den Krallen, als sie sich seitwärts festzuhalten versuchte. Die ausgebreiteten Flügel drückten gegen die Wände des Schachtes und bremsten sie ein wenig ab. Langsamer ... langsamer ... befahl sie sich. Mit dem Echosehen konnte sie nun erkennen, wie das Ende des Schachtes auf sie zuraste, die Metallklappe, die sich nur in eine Richtung bewegen ließ. Wenn sie nicht genügend abbremsen konnte, würde sie einfach da durchschießen, und das wäre dann das Ende.
Sie presste die Flügel noch fester gegen die Wände des Schachtes, grub die Krallen in das Metall und ...
Die Klappe schwang hoch, als sie näher kam, und sie quetschte sich in die Öffnung. Vor Anstrengung keuchend klemmte sie schnell den Stock gegen die Klappe, die heftig herunterkam und sich knirschend feststellte. Der Stock wackelte erst ein bisschen, dann hielt er.
Durch die Öffnung sah sie den Wald.
Sie war wieder drinnen.
Aber diesmal hatte sie einen Ausweg nach draußen.
Schatten stand auf Chinooks Rücken und schoss Klänge in das kleine Loch in der metallenen Schiebetür. Die zurückkommenden Echos füllten seinen Kopf mit einem komplizierten Gewebe aus Metall. Rasch versuchte er alles zu verstehen. Eine Art Schloss. Und die Menschen mussten irgendein Werkzeug haben, das sie hineinschieben
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