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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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abwerfen kannst. Es ist das Zuhause von Millionen von Fledermäusen und ebenso vielen Menschen ... es ist ihre größte Stadt und du wirst sie zerstören.“
    Goth fühlte, wie er von den Füßen gerissen und gegen den Heiligen Stein geschleudert wurde. Es war, als hätte ihn ein riesiges Tier im Schraubstock seiner Kiefer gehabt und endlich losgelassen. Er keuchte nach mehr Luft. Seine Rippen stöhnten vor Schmerz.
    „Es tut mir Leid, Eure Hoheit“, winselte ein Wächter, „eine der kleinen Fledermäuse ist entkommen.“
    „Dann such sie“, sagte Goth kurz angebunden. Er war mit seinen Gedanken woanders. Er wandte sich an Voxzaco: „Diese Verfinsterung, wie lange dauert die?“
    „Nicht mehr als sieben Minuten“, antwortete der Priester.
    Sieben Minuten, um einhundert Opfer darzubringen.
    „Und nach Auskunft des Heiligen Steins wird sie in nur drei Nächten eintreten“, fügte Voxzaco hinzu. Goth drehte sich hastig zu den Wächtern um. „Wir werden sofort unsere Soldaten aussenden. Fangt Eulen und Vögel und so viele nördliche Fledermäuse, wie ihr finden könnt. Holt sie von ihren Ruheplätzen und bringt sie hierher. Wir haben drei Nächte, um einhundert Opfergaben zu finden – bleibt ihr unter dieser Zahl, so werdet ihr selber auf dem Heiligen Stein liegen. Habt ihr verstanden?“
    „Ja, König Goth.“
    „Dann trefft alle Vorbereitungen. Beeilt euch!“

– 10 –
Die Zuflucht in der Statue
    Mit jedem Flügelschlag fuhr Schmerz durch den Schnitt in seinem Bauch, und Schatten musste sich anstrengen, um mit Chinook und Caliban mitzuhalten. Sie flogen in hartnäckigem Schweigen über die Stadt und zum ersten Mal sah er, wie beschädigt sie war: Straßen waren aufgeworfen, Gebäude zusammengestürzt, auf großen Flächen befand sich nichts außer einem versengten Krater. Ihr Flug trug sie über stille Steingebäude mit Ziegeldächern, viele davon in Ruinen. Nach Westen hin konnte er noch den Feuerschein von den großen Gebäuden sehen, die die Fledermäuse zerstört hatten, und durch die beißende Luft drang das Heulen von Sirenen. Er fragte sich, ob auch die Menschen hier unten Fledermäuse benutzten, um ihre Waffen zu tragen.
    Der östliche Himmel begann sich aufzuhellen, die Morgendämmerung kündigte sich an.
    Schatten flog hinter Caliban und konnte dessen hässliche Narbe am Bauch sehen. Musste sich auch die Scheibe abgerissen haben. Er war eine große Fledermaus, sogar größer als Chinook, aber an seinen Flanken drückten sich die Rippen durch die Haut, und sein hageres Gesicht hatte einen etwas wilden Ausdruck. Schatten fragte sich, wie lange er schon hier unten war und was er hatte tun müssen, um zu überleben.
    „Was ist deine Kolonie?“, fragte er ihn.
    „Bulldoggenfledermäuse“, antwortete Caliban knapp, ohne sich umzuschauen, „aus den westlichen Wäldern.“
    Er schien nicht sehr gesprächig. Auch Chinook hatte nichts gesagt, seit sie aufgebrochen waren. Er flog einfach geradeaus, die Augen betroffen auf den Horizont gerichtet. Schatten wusste nicht einmal, wo sie hingeführt wurden. Er versuchte sich mit dem zu trösten, was Caliban vorher gesagt hatte: Es gab noch andere, die in der Nähe der zerstörten Gebäude nach Überlebenden suchten.
    Vielleicht Chinooks Eltern.
    Vielleicht sein Vater.
    Er brachte seine Gedanken zum Schweigen, verärgert, dass er immer noch Hoffnung hatte. Er hatte so lange gehofft und war so oft enttäuscht worden – was für einen Sinne hatte das?
    Von hinten kam ein plötzlicher intensiver Lichtblitz und für einen Sekundenbruchteil war es, als ob die Nacht zum Tag geworden wäre.
    „Schaut euch nicht um“, befahl Caliban kurz.
    Schatten schaute trotzdem hin. Ein großer Pilz aus Licht und Rauch quoll am fernen Horizont empor. Sogar nachdem er die Augen in Schmerz und Entsetzen zugekniffen hatte, brannte das Bild dieser gewaltigen Gewitterwolke weiter in seinem Inneren. Augenblicke später rumpelten Erde und Luft, als das Geräusch der Explosion sie erreichte.
    „Das ist eine von den Eulen“, sagte Caliban.
    „Was meinst du damit?“, fragte Schatten.
    „An uns hängen sie kleine Bomben. Aber die Eulen tragen viel größere.“
    Schatten erinnerte sich, dass er gesehen hatte, wie die Menschen den künstlichen Wald der Eulen mit ihren Metallstangen betreten und die betäubten Vögel in die Käfige getan hatten. Er dachte an die junge Eule mit den Blitzen auf dem Gefieder und ihm wurde übel. Allein die Größe dieser flammenden Wolke – nichts

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