Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
die anderen Ältesten ihren Ruheplatz. Der Ort bot einen weiten Blick auf die Menschenstadt und den freien Himmel über der Ebene.
Marina fühlte sich entsetzlich fehl am Platze unter den Ältesten – und so eine große Versammlung von ihnen hatte sie noch nie gesehen. Da waren hunderte von all den verschiedenen Kolonien. Ihre Gesichter waren runzlig, faltig und höchst ernst, wenn sie sprachen. Wie alle Langschwänze war Halo eine eindrucksvolle Persönlichkeit, erheblich größer als ein Silberflügel oder ein Glanzflügel, mit einer gewaltigen Brust und der deutlich langen Schwanzmembran, die ihr erlaubte, mit unglaublicher Wendigkeit zu fliegen.
„Uns haben sich nun“, sagte sie, „Achilles Grauflügel und Frieda Silberflügel angeschlossen, und darüber sind wir äußerst froh. Willkommen, ihr beiden.“
Die anderen Ältesten begrüßten sie ihm Chor.
„Unsere Späher haben uns informiert, dass die Eulen sich von Norden her sammeln und nur noch mehrere Nachtreisen von Brückenstadt entfernt sind. So Leid es mir tut, wir müssen jetzt über einen Krieg beraten.“
Ihre Brust senkte sich mit einem Seufzer. „Ich weiß, dass einige von euch großes Vertrauen in die Lehren von Nocturnas Großem Versprechen haben und ihre Hoffnungen ganz darauf setzen, dass die Menschen uns irgendwie beistehen werden, wenn es zum Kampf kommt. Aber ich habe von Frieda Silberflügel erfahren, dass diese Hoffnungen enttäuscht worden sind.“
Marina hörte zu, als Frieda langsam, aber mit einem Rest von Kraft in ihrer alternden Stimme die Geschichte vom Gebäude der Menschen begann und vom Wald darin.
Als die Älteste der Silberflügel sich zu ihr wandte und sie bat fortzufahren, schlug Marinas Herz so schnell, dass sie dachte, sie würde in Ohnmacht fallen. All die Ältesten blickten sie an und sie versuchte schnell alles zu erzählen, was sie und Schatten in dem Gebäude gesehen hatten, wie die Menschen die Fledermäuse behandelt hatten, wie sie sie in ihren Flugmaschinen nach Süden gebracht hatten, und dann, was ihr die Kolibris vor einigen Nächten berichtet hatten, dass die Menschen die Fledermäuse dazu benutzten Feuer zu transportieren.
Ein betretenes Schweigen breitete sich aus, als sie geendet hatte, und sie blickte auf ihre Krallen und wünschte, jemand würde etwas sagen.
„Ich will nicht behaupten, dass wir Langschwänze jemals großes Zutrauen in das Große Versprechen gehabt hätten“, sagte Halo schließlich. „Uns ging es gut in der Nacht und wir hatten nie ein großes Verlangen nach dem Tageslicht – wie es meines Wissens einige andere haben.“
Hierbei schien sie unmittelbar Frieda und Achilles Grauflügel anzuschauen.
„Wir haben nie geglaubt, dass es sich lohnt, mit den Eulen um die Sonne zu kämpfen, und ich weiß, dass einige uns das übel genommen haben. Was die Menschen anbetrifft, so haben wir hundert Jahre lang in ihrer Nähe gelebt und keinen Grund, ihnen zu misstrauen oder zu trauen. Sie haben uns in unseren Rastplätzen hier nicht gestört und wenige von uns sind beringt worden. Aber diese Nachrichten von dir, Frieda, beunruhigen mich sehr. Wenn sie uns benutzen, um Waffen zu tragen, dann müssen wir sie als unsere Feinde ansehen und auf der Brücke viel wachsamer sein. Aber ich denke, im Augenblick müssen wir unsere ganzen Kräfte gegen die Eulen richten.“
Ein allgemeines Flügelrascheln signalisierte Zustimmung.
„Wir konnten die Verbannung aus dem Tage hinnehmen, aber nicht diese anderen Gräuel. Die Einnahme des Hibernaculum, die Überraschungsangriffe während der Nacht. Die Handlungen der Eulen zeigen uns, dass sie auf Krieg aus sind, und wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen.“
Marina schaute zu Frieda und sah, wie müde sie wirkte, nicht nur im Gesicht, sondern in ihrem ganzen zerbrechlichen Körper. Erschrocken blickte sie weg.
„Die Eulen sind mächtig, aber wir haben hier eine Armee, wie sie so groß noch nie gesehen worden ist, und es kann sein, dass wir jetzt um unser Überleben kämpfen müssen.“
„Es wird furchtbar werden“, sagte Frieda und ihre Stimme klang so bekümmert, dass für ein paar Augenblicke niemand sprach.
„Du überraschst mich, Frieda“, sagte Halo und versuchte zu kichern, als wollte sie die Untergangsstimmung vertreiben, die Frieda erzeugt hatte. „Du warst einer der Lautesten in der Revolte vor fünfzehn Jahren. Hast du dein Verlangen nach Schlachten verloren?“
„Ich glaube, ja“, sagte Frieda, „weil mir klar geworden
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