Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
ist, dass dies keine Schlacht ist, die wir gewinnen können, jedenfalls nicht allein ...“
„Aber wir haben keine Hilfe“, kam die bittere Stimme eines anderen Ältesten. „Du hast selbst gesagt, die Menschen sind nicht unsere Freunde. Was sind dann unsere Alternativen?“
„Wir müssen wenigstens versuchen mit den Eulen zu reden. Vielleicht stellen wir fest, dass sie unsere Verbündeten sind.“
„Verbündete gegen wen?“, fragte Halo.
„Mir scheint, die mächtigsten Geschöpfe auf dieser Erde sind die Menschen, und die haben Eulen wie Fledermäuse für ihre bösen Zwecke missbraucht.“
„Vielleicht, aber die Menschen vertreiben uns nicht systematisch aus unseren Zufluchten“, sagte Halo ungeduldig. „Und was das Reden mit den Eulen anbetrifft, so habe ich vor einigen Wochen eine Gesandtschaft zu ihnen geschickt, und sie musste fliehen, um ihr Leben zu retten, bevor sie auch nur eine Audienz bei König Boreal bekommen konnte. Wir werden mit den Eulen reden, ja, falls wir das können, aber wir müssen uns darauf vorbereiten zu kämpfen, und zwar allein.“
Ein Langschwanz kam von unten hochgeschossen, ganz außer Atem vom schnellen Steigflug zur Turmspitze. „Halo Langschwanz“, sagte er, „eine Delegation der Ratten hat sich in einem Tunnel unter einem der Brückenpfeiler hochgegraben. Sie bringen Friedensgeschenke und sagen, dass König Romulus sich gerne mit dir treffen möchte.“
Als Marina diesen Namen hörte, war sie freudig überrascht. War das der gleiche Romulus, den sie und Schatten im vergangenen Herbst getroffen hatten? Damals war er alles andere als ein König gewesen. Sein Bruder, Fürst Remus, hatte ihn in einem dreckigen Verlies eingesperrt. Es war Romulus gelungen, sie davor zu bewahren, als Spione ertränkt zu werden. Wenn er jetzt tatsächlich König war, dann konnte das nur eine gute Nachricht sein.
Aber in der Versammlung breiteten sich bebende Unruhe und Wut aus.
„Wie können sie es wagen, unter unserem Pfeiler einen Tunnel zu graben!“, sagte einer der Ältesten.
„Sie müssen mit den Eulen unter einer Decke stecken“, sagte ein anderer.
„Willst du mit ihnen reden?“, fragte Achilles Grauflügel Halo. „Es könnte eine Falle sein.“
„Ein vorweggenommener Schlag, um uns zu schwächen, bevor die Eulen kommen!“, rief noch ein anderer von den ängstlichen Ältesten.
„Nein“, platzte Marina heraus. Sie musste schreien, um überhaupt gehört zu werden. „Nein, ich glaube das nicht. Ich kenne ihn.“
„Du kennst König Romulus?“ Halos buschige Augenbrauen schossen zweifelnd in die Höhe.
„Ich glaube schon.“ Schnell erzählte sie Halo Langschwanz und den anderen, wie sie und Schatten Prinz Romulus getroffen hatten. „Er hat uns das Leben gerettet. Er hat uns den Weg zurück aus den Abwasserkanälen an die Oberfläche gezeigt. Und ich glaube, er ist ein Freund aller Fledermäuse.“
„Dann komm mit uns“, sagte Halo. Dem Boten befahl sie: „Rufe fünf von den besten Leibwächtern zu meiner Begleitung und alarmiere die Garnison. Wenn dies eine Falle ist, dann wird man uns nicht überraschen.“
Während Marina in Spiralen immer tiefer vom Turm hinabflog, schlossen sich ihnen fünf eindrucksvolle Soldaten an. Sie fegten an der Unterseite der Brücke durch und glitten niedrig über dem Wasser zum südlichen Pfeiler, einem riesigen Gebirge aus Stein, das in die Erde gerammt war.
Am Fuß dieses Pfeilers lag ein täuschend unauffälliger Haufen von Stöcken und Stroh, aber als sie sich näherten, erschien dort eine Ratte in vorsichtig gebückter Haltung. Marina wurde klar, dass die Stöcke das Loch verdecken mussten, in dem ihr Tunnel endete. Die Schnurrhaare der Ratte zuckten, als sich die Fledermäuse an einem Stein über ihr niederließen, in sicherer Entfernung vom Boden. Marina wurde von Widerwillen und Misstrauen durchbebt. Von Romulus abgesehen waren ihre Erinnerungen an Ratten nicht gerade angenehm.
„Halo Langschwanz“, sagte die Ratte, „wir danken dir, dass du gekommen bist. König Romulus ist hier, um mit dir zu sprechen.“
Ohne großen Fanfarenklang erschien eine einzelne große, weiße Ratte aus dem Unterschlupf von Stöcken und blickte zu den versammelten Fledermäusen hoch. Als sie sich auf die Hinterbeine erhob und zur Begrüßung die Arme ausbreitete, erkannte Marina erleichtert, dass es in der Tat der gleiche Romulus war, an den sie sich erinnerte.
Denn es war, als wäre er selbst eine halbe Fledermaus. Eine dünne
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