Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
geht’s los“, warnte er die Eule. „Es wird wehtun, aber ich tue das nicht mit Absicht, okay?“
„Fang an“, sagte die Eule.
„Halte nur ein wachsames Auge auf alles, was den Wunsch haben könnte uns zu fressen. Du auch, Chinook. “
Schatten begann damit, seine Zähne vorsichtig in den kahlen Fleck zu graben, den die Menschen auf dem Bauch der Eule rasiert hatten.
„Wie heißt du?“, hörte er die Eule mit angespannter Stimme fragen.
Schatten rückte etwas ab, um Luft zu holen. „Schatten. Und das ist Chinook.“
„Ich heiße Orest.“ Nach einem Weilchen fragte er: „Ihr wisst nicht, wer ich bin, oder?“
Schatten knurrte ein Nein. Auf seiner Nase war Eulenblut. Erstaunlicherweise schmeckte es fast genauso wie Fledermausblut.
„Ich bin der Sohn von König Boreal. “
Schatten zögerte. Er war nicht nur dabei, seine Zähne in eine Eule zu schlagen, sondern es war auch noch zufällig der Prinz des mächtigsten Vogelkönigs in den nördlichen Wäldern.
„Wo ist dein Vater jetzt?“, fragte er und rückte etwas zurück, um zu sehen, wie er vorankam. „War er mit dir in dem Gebäude?“
„Glücklicherweise nicht. Er hat mich weggeschickt, während er...“
„Was?“
„Seine Armeen für den Krieg aufstellte“, sagte Orest ruhig.
Schatten schaute weg. Krieg gegen die Fledermäuse. Am liebsten wäre er sofort abgehauen. Sollte doch Orest selber sehen, wie er zurechtkam. Warum sollte er ihm helfen, wenn sein Vater sich darauf vorbereitete, alle Fledermäuse am Himmel auszulöschen?
„Willst du auch einen Krieg?“, fragte er Orest kühl. „Ich weiß nicht. Und du?“
„Nein, aber ich will auch nicht, dass wir für immer in die Nacht verbannt bleiben.“ Er seufzte. Irgendwie schien das alles so weit weg wie das Leben von jemand anderem. Im Augenblick befand er sich im Dschungel, und das war alles, was er wusste. Am Leben bleiben, lebendig wieder rauskommen. Und dafür brauchte er diese Eule.
„Kann ich dir trauen?“, fragte er Orest. „Wenn ich dies abmache, wirst du uns dann nach Norden begleiten und vor allen Eulen beschützen, die wir vielleicht treffen?“
„Ja“.
Er blickte der Eule in die riesigen Augen und wusste, es gab keine Möglichkeit zu erkennen, ob Orest die Wahrheit sagte. Aber er beschloss daran zu glauben, dass er es tat. Was konnte er sonst schon tun? Er machte sich wieder an die Arbeit, durchtrennte alle Stiche, bis nur noch einer übrig war.
„Wenn ich den hier durchtrenne, dann fang die Kette mit deinen Klauen“, sagte Schatten. „Ich denke, wir wollen nicht, dass die Scheibe auf den Boden fällt. Nur für alle Fälle.“
Orest nickte. Rasch zertrennte Schatten den Faden und mit erstaunlicher Wendigkeit packte die Eule die Kette mit ihren Krallen.
„Leg sie langsam auf den Boden.“
Er wartete oben, während Orest mit der Scheibe durch den Baum nach unten flog.
„Traust du ihm?“, flüsterte Chinook.
„Wir müssen.“
„Er könnte jetzt zurückfliegen und sich mit den anderen Eulen zusammentun. Ihnen verraten, wo wir uns verstecken.“
„Vielleicht“, sagte Schatten. Diese Möglichkeit ängstigte ihn.
Orest kam auf den Ast zurück. Endlich war er die Bombe der Menschen los. „Ich danke dir.“
„Lass uns fliegen. Ich zeig dir, wo wir uns aufhalten.“ Er maß die Eule mit dem Klang-Sehen ab. „Du solltest dich gerade so hineinquetschen können in unsere Zuflucht in der Statue.“
„Vorher wirst du einige Überzeugungsarbeit leisten müssen“, sagte Orest.
Schatten grinste.
Ein Paar Klauen schlitzte durch den Himmel und senkte sich in Orests Rücken. Schatten blickte sofort hoch und sah eine riesige Kannibalenfledermaus, die Orest vom Ast herunterzerrte. Ein Schatten fiel über ihn und er konnte sich nur instinktiv fallen lassen, als ein zweites Klauenpaar an ihm vorbeizischte. Stattdessen drang es Chinook in die Schulter und hob ihn in die Luft.
„Schatten!“, hörte er Chinook vor Verwirrung und Schmerz aufschreien.
Er blinzelte durch die Blätter und beobachtete, wie die beiden Kannibalen wegflogen. Chinook und Orest hielten sie fest in ihren Krallen.
Mit klopfendem Herzen sah er sie verschwinden. Du hast nichts getan, nichts. Es gab nichts zu tun.
Ich fühle mich in Sicherheit, wenn ich bei dir bin, hatte Chinook zu ihm gesagt.
Er zitterte und zum ersten Mal, seit die Menschen ihn gefangen hatten, weinte er hemmungslos. Er war dumm und schwach und er hatte alles verloren, alles. Tränenblind taumelte er zur Zuflucht in
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