Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
festhielt.
„Flieg weg!“, kreischte Ishmael der Fledermaus zu. „Flieg weg, Bruder!“
Ishmaels Bruder konnte sich seinen Wächtern entwinden und flog immer höher und Ishmael versuchte ihm zu folgen. Nur Zentimeter in der Luft wurde er zum Stein zurückgeholt, sein Schwanz in den Kiefern des alten Kannibalen gefangen. Mit einem wütenden Schlag der Klaue riss dieser Ishmaels Brust auf. Leblos sackte er zusammen.
Während Schatten dies mit eisigem Entsetzen beobachtete, hatte er das Gefühl, dass sein eigenes Herz von Krallen gepackt wurde, und plötzlich merkte er, dass er wimmerte. Er schloss den Mund und zwang sich, den Blick von Ishmael abzuwenden. Aber was er als Nächstes sah, ließ ihn beinahe aufschreien. Da war Chinook und nicht weit von ihm seine Mutter, beide auf dem großen Stein, beide in der Reihe der Opfer der Kannibalen. In weniger als einer halben Minute würden sie umgebracht werden.
Dann blickte Schatten wieder hoch und sah, dass Goth sich wieder auf den Stein hinabließ, bereit mit seinen eigenen finsteren Mordtaten zu beginnen. Schatten ließ sich fallen und stürzte ihm nach und, während er flog, hämmerte er sich eine neue Verkleidung. Diese war einfacher, vertrauter und sie passte ihm wie eine zweite Haut.
Er war Goth.
Wie verrückt stürmte Marina den Rattentunnel entlang. Sie holte General Cortez ein.
„Schatten ist zur Spitze der Pyramide! Wir dürfen ihn nicht allein lassen!“
„Er hat seine Entscheidung getroffen. Unsere ist es, am Leben zu bleiben!“
„Das könnt ihr nicht tun!“, schrie Marina. „Sie haben jetzt auch Ariel! Er hat dir geholfen deinen Sohn zurückzubekommen. Ohne ihn wäre dir das nicht gelungen.“
Voller Abscheu wandte sie sich von dem Rattengeneral ab und begann wie verrückt an der Decke des Tunnels zu kratzen. Staub mischte sich mit ihren Tränen. Sie wusste nicht einmal, was sie tat, nur dass sie an die Oberfläche kommen musste, zur Spitze der Pyramide musste – an den Ort, wo man alle hinbrachte, um sie zu töten.
Sie spürte eine Pfote auf der Schulter, die sie kräftig von der Decke des Tunnels zurückzog.
„Du wirst noch einen Einbruch verursachen“, sagte Cortez überraschend freundlich.
Marina riss sich los und kroch zu dem Loch zurück, das sie zu graben versucht hatte. Wieder zog sie Cortez zurück und sie schrie ihn an. Ihre Worte waren kaum zu verstehen. Dann sah sie mit verschleierten Augen, wie er zwei Tunnelbauern der Ratten zunickte, und sie führten mit ihren mächtigen Gliedern fort, was sie angefangen hatte.
„In Ordnung. Wir kehren um“, sagte Cortez.
Schatten glitt vor Goth vorbei und breitete herausfordernd die Flügel aus. Goth blickte verärgert hoch, dann verzog er verwirrt das Gesicht. Seine breite Nase stach in die Luft, als er zurückzuckte und seinen Zwilling sah. Er sperrte das Maul auf, aber nur ein heißes Zischen kam heraus.
„Schwindler!“, schrie Schatten und überanstrengte die Stimmbänder, um seine Stimme tiefer zu machen. „Wachen, nehmt diesen Hochstapler fest, bevor er noch mehr von unserer Zeit verschwendet!“
„Nein!“, zischte Goth. „Du bist der Täuscher!“
„Nein!“, brüllte Schatten und schlug mit aller Kraft Klang heraus. Er sah, wie das Fell auf Goths Brust von seiner Energie eingedrückt und auch der Kannibale selbst im Flug mehrere Zentimeter zurückgeweht wurde. „Seht meine Macht, wie könnt ihr an mir zweifeln! “, rief Schatten den Wachen zu, die verwirrt zusahen. „Ich bin der König!“
Die Überraschung auf Goths Gesicht wich Verärgerung und Wut. „Du bist es ...“, zischte er. „Schatten!“
„Wachen“, rief Schatten, „packt diesen Betrüger und ich werde ihn zu unserem nächsten Opfer machen!“ Er sah, wie vier Kannibalen sich in die Luft erhoben. Die Klauen hatten sie weit gespreizt, um ihren König zu ergreifen. Aber gerade als sie ihn erreichen sollten, warf sich Goth auf Schatten, die Schnauze bereit zuzupacken und ihn zu zerreißen. Schatten war vorbereitet, er wich tänzelnd aus und führte Goth in einer engen Spirale höher in den Raum hinauf.
Er wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis Goth sein Trugbild zu packen kriegte und es mit seinen Klauen zerfetzte, aber mit jeder Sekunde gab es mehr Verwirrung, mehr Zeit für die anderen zu entkommen – und weniger Zeit dafür, die Opfer während der Dunkelheit der Sonnenfinsternis darzubringen.
Von dem Augenblick an, als die Sonne von völliger Schwärze verschlungen wurde, war Voxzacos
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