Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
fragte sein Vater.
Nun war er an der Reihe überrascht zu sein. „Woher weißt du das?“
„Wir haben dir den Namen gegeben, bevor du geboren wurdest.“
Und nur für einen Augenblick betrogen sie die Zeit und umarmten sich, sicher unter der unsichtbar machenden Hülle, die Schatten für sie gesponnen hatte.
„Wir kriechen“, sagte Schatten. „Hinüber zu der Mauer, dann hinauf zur Öffnung.“
Aber schon während er sprach, wusste er, dass der Plan zum Scheitern verurteilt war. Er konnte hören, wie sich ihnen klagend der Atem von Zotz näherte und dann mit der Gewalt eines Sturmes gegen sie peitschte. Mit zwei kreischenden, durchdringenden klauenbewehrten Händen zerriss das Geräusch seinen Schleier der Unsichtbarkeit.
„Flieg weg!“, sagte sein Vater.
„Halt dich an mir fest“, sagte Schatten. „Wir fliegen zusammen!“
Er zweifelte, ob er je mit so viel zusätzlichem Gewicht abheben könnte, aber er würde seinen Vater nicht zurücklassen.
Ein gewaltiges Gewicht schlug gegen seine Brust und er wurde zurück auf den Stein geworfen, festgehalten von zwei mächtigen Klauen, eine auf jedem Flügel. Goths sengender Atem strömte auf ihn herab.
„Ich habe gewusst, dass du es warst“, sagte Goth. „Du hast mich daran gehindert, die Sonne zu töten, aber ich werde dennoch dein schlagendes Herz fressen!“
Marina kauerte am Rand der runden Deckenöffnung und blickte hinab in den geflügelten Mahlstrom des Raumes.
Bei ihr waren Caliban und General Cortez und ein Dutzend von seinen Rattensoldaten, die den schwierigen Aufstieg über die Oberfläche der Pyramide geschafft hatten. Während des ganzen Weges nach oben hatten sie Schreie gehört, die von der Spitze der Pyramide herabwehten, aber gelegentlich hatte Marina mit ihrem Echosehen die Umrisse kleiner nördlicher Fledermäuse gesehen, die durch die Luft davonschossen.
„Sie entkommen, einige von ihnen jedenfalls“, hatte sie aufgeregt zu Caliban gesagt.
Auch vereinzelte Eulenrufe hatte sie gehört und sich gefragt, ob es einigen von ihnen gelungen war, sich durch die Horden von Kannibalen zur Außenwelt durchzukämpfen.
Jetzt waren sie oben und blickten hinab und, was Marina sah, entsetzte sie. Es war schwierig, etwas Genaues wahrzunehmen, so viel war in Bewegung da unten. Aber sie erkannte, dass sowohl Flügel von Kannibalen wie von nördlichen Fledermäusen heftig schlugen. Sie sah einen riesigen Stein direkt unter ihnen und für einen Sekundenbruchteil glaubte sie, sie hätte Schatten darauf erkannt, aber dann war er weg, einfach weg. Aber am entsetzlichsten war etwas, was man nicht sehen konnte. Es war reiner Klang, eine Art belebten Kreischens, das durch den Raum fetzte und gegen die Mauern schlug wie ein tollwütiges Tier in seinen Todeszuckungen.
Sie wollte nicht da hinunter, aber sie musste sich vergewissern, dass Schatten nicht in der Falle saß. Plötzlich war Ariel bei ihr, keuchend, und auch Chinook.
„Ihr seid herausgekommen!“, rief Marina. „Wo ist Schatten?“
Ariels Gesicht sah betroffen aus. „Ich dachte, er wäre mit euch hinausgelangt ...“
Marina wurde übel. „Er muss da drin sein.“
Sie blickte wieder über den Rand der Öffnung und sah, wie Goth auf den Opferstein zustürzte, und direkt unter ihm in der Fluglinie des Kannibalen ... Schatten.
Schatten wand sich, um sich frei zu machen, aber es nützte nichts. Er war ausgelaugt, schwach wie ein welkes Blatt. Er sah Goths spitze Zähne, kniff die Augen zusammen und versuchte sich irgendwohin weit weg zu senden.
Er spürte, dass Goth ihn kräftig auf die Brust schlug und alle Luft aus ihm herauspresste und plötzlich lebten alle seine Instinkte wieder auf und er bellte Klang, um zu sehen.
Goth lag ausgebreitet auf ihm, den Kopf gegen den Heiligen Stein gedrückt, und auf seinem Rücken waren Marina und Ariel, Caliban und Chinook. Sie mussten mit all ihrem vereinten Gewicht auf ihn geprallt sein. Schatten kämpfte sich unter Goths Körper heraus. Aus dessen Kehle konnte er ein tiefes, bedrohliches Gurgeln hören. Er war nicht tot, er würde niemals tot sein.
„Weg hier“, rief ihm Marina zu.
„Wo ist mein Vater?“
„Genau hier“, sagte seine Mutter und starrte ungläubig auf Cassiel. Er war jetzt fast ohne Bewusstsein, aber Schatten konnte in seinen Augen ein freudiges Aufblitzen erkennen.
„Ariel“, hauchte er.
„Wir müssen ihn im Flug hinaustragen“, sagte Schatten.
„Ich kann das machen“, sagte Caliban. „Helft ihm auf meinen
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