Sonnenglut der Leidenschaft
du dann aufgewachsen?“, fragte er schließlich.
Gwynneth lächelte traurig. „In einem sehr exklusiven Internat, finanziert von meinem Stiefvater. Weder er noch meine Mutter wollten täglich vor Augen geführt bekommen, dass sie einmal mit meinem Vater verheiratet gewesen war. Mein Stiefvater ist sehr wohlhabend. Als er mit meiner Mutter nach Australien zurückkehrte, blieb ich in England. Sie haben jemanden dafür bezahlt, die Verantwortung für mich zu übernehmen.“
Tariq sah zu Boden. Auch er hatte ein Internat in England besucht und wusste, wie einsam man sich dort fühlen konnte.
„Aber das liegt Jahre zurück“, sagte Gwynneth. „Jetzt geht es um die Gegenwart. Mein Vater war ein unruhiger Geist und Weltenbummler. Diese Wohnung ist der einzige materielle Wert, den er mir hinterlassen hat.“ Gerade als sie beschloss, keine weiteren Fragen zu beantworten, feuerte Tariq auch schon die nächste ab.
„Willst du deine Eltern für deine unglückliche Kindheit bestrafen, indem du mit Männern schläfst, die du kaum kennst?“
„Ich …“ Ich schlafe mit niemandem, hätte sie fast geantwortet. Diese Unterstellung war einfach empörend! „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig“, sagte sie stattdessen. „Nur so viel: Ich bleibe hier, bis die Eigentumsfrage geklärt ist. Du kannst dir also die Mühe sparen, mich aus der Wohnung zu vertreiben. Das funktioniert nicht.“
Damit muss ich mich wohl abfinden, dachte Tariq. Wenn er an die vergangene Nacht dachte, fand er die Vorstellung gar nicht so unangenehm. Er meinte, die schöne Gwynneth noch in seinen Armen zu spüren und …
Energisch riss er sich zusammen. Mit seinen vierunddreißig Jahren hatte er schon einige Erfahrungen mit Frauen gesammelt. Sobald er merkte, dass sie es nur auf sein Geld abgesehen hatten, verschwand er.
Vielleicht sollte er langsam nach einer Frau Ausschau halten, mit der er sein Leben teilen konnte. Bisher hatte die gescheiterte Ehe seiner Eltern ihn davor abgeschreckt, sich zu binden. Obwohl sie behaupteten, einander zu lieben, ging die Beziehung in die Brüche, als Tariq vier Jahre alt war. Er hatte sich fast die Augen ausgeweint, als sein Vater auf und davon gegangen war. Seitdem erlaubte er sich kaum je Gefühle, und auch körperlich lebte er eher enthaltsam – vorwiegend aus Mangel an Gelegenheit. Aber so gefiel es ihm ganz gut.
„Wenn du bleiben willst …“, begann er.
„Ich möchte, dass du gehst. Je eher, desto besser. Schließlich können wir nicht beide hier wohnen. Zumal es nur ein Schlafzimmer gibt.“
„Und das gehört mir“, behauptete Tariq. „Oder hattest du gehofft, ich würde es mit dir teilen?“
„Nach letzter Nacht?“ Das hätte sie lieber nicht fragen sollen.
„Wieso nicht? Jedenfalls hast du dich nicht beklagt. Ganz im Gegenteil.“
„Das reicht jetzt.“ Wütend stürmte sie aus der Küche. Diese ganze Situation stresste sie einfach zu sehr. Gwynneth plagten heftige Kopfschmerzen. Frische Luft täte ihr sicher gut. Allerdings wagte sie nicht, die Wohnung zu verlassen. Nachher ließ dieser Schuft sie nicht wieder hinein.
Als sie sich im Wohnzimmer umsah, entdeckte sie den weitläufigen Balkon, den sie am Abend zuvor gar nicht richtig gewürdigt hatte. Erleichtert steuerte sie darauf zu.
Tariq warf einen Blick auf seine schlichte Goldarmbanduhr und überlegte, was eine Frau wie Gwynneth Talbot dazu bewogen hatte, scheinbar wahllos mit Männern zu schlafen. War sie sich der Gefahr gar nicht bewusst, in der sie dadurch ständig schwebte, oder machte gerade das den Reiz aus?
Mir kann es ja egal sein, dachte er wütend, als er ihr auf den Balkon folgte. Schließlich bin ich doch nicht für sie verantwortlich.
Inzwischen brach die Dunkelheit herein. Ungewohnte Düfte erfüllten die laue Abendluft. Der appetitliche Essengeruch erinnerte Gwynneth daran, wie lange sie nichts mehr gegessen hatte. Worauf habe ich mich nur eingelassen, dachte sie. Normalerweise war sie eine sehr vernünftige, besonnene junge Frau …
„Hier steckst du also.“
Langsam drehte sie sich um. Tariqs plötzliche Nähe erregte sie sofort. Zu ihrer eigenen Sicherheit hätte sie sich wohl besser in dem kleinen Arbeitszimmer verschanzt. Doch plötzlich warf sie alle Vorsicht über Bord.
„Ich brauchte etwas frische Luft“, erklärte sie. „Und ich …“
Aber Tariq unterbrach sie ärgerlich. „Warum gehst du diese Risiken ein? Weißt du denn gar nicht, wie gefährlich das für dich hätte werden
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