Sonnenkoenig
kam, stand mein Laptop am oberen Rand
des Tisches, anstatt am unteren, und im Flur hing der Regenschirm am mittleren
Haken. Da habe ich ihn noch nie hingehängt. Mehr ist mir nicht aufgefallen. Ich
habe ja nicht danach gesucht. Erst auf der Fahrt hierher kam mir das doch
merkwürdig vor.«
»Was soll ich tun?«
Lena fingerte aus ihrer roten
Handtasche einen Zettel hervor. Sie gab ihn Ninus. »Das ist ihr Name und die
Adresse. Zumindest die Adresse, von der aus sie mich angerufen hat. Vielleicht
könntest du da vorbeischauen. So ganz unverbindlich?«
Ninus sah sich den Zettel an.
»Nobel, nobel. Die Adresse deutet auf Geld-spielt-keine-Rolle-Umstände, die
bekanntermaßen viele böse Menschen hervorbringen.«
»Deshalb wollen wir auch nicht
reich werden, oder? Machst du es?«
»Für dich mache ich doch fast alles.
Solltest du mittlerweile wissen. Ich schau da vorbei.«
»Ich könnte dich knutschen, mein
privater Schnüffler.«
»Ich halte dich nicht zurück«,
sagte Ninus. Er wollte aufstehen, da fiel ihm noch etwas ein. »Du kannst mir
ebenfalls einen Gefallen tun.«
»Die Rechnung übernehmen?«
»Äh – ja, danke. Nein, kannst du
für mich etwas über eine bestimmte Person herausfinden?«
»Eine Frau?«
»Ja. Sie heißt Carla Burow. Wohnt
in Eltville-Erbach. Ich wüsste gerne alles über sie.«
»Muss ich eifersüchtig werden?«
»Rein geschäftlich. Ein anderer
Fall, an dem ich arbeite.«
»Wow, zwei Fälle gleichzeitig.
Deine Agentur floriert wie geschmiert. Abgemacht. Du schaust dir die Crown an
und ich wühle in unserem Archiv, ob wir was über, wie heißt sie gleich, über
diese Dingsbums haben.«
»Carla Burow. Schreib es dir auf,
wenn dein Erinnerungsvermögen kürzer als deine Fransen geworden ist. Was meinst
du eigentlich mit zwei Fällen? Ist Kordula Crown ein Fall? Habe ich einen
offiziellen Auftrag von dir? Wenn ja, sollten wir jetzt die Honorarfrage
klären«, grinste Ninus und strich, während er aufstand, Lena übers Haar.
»Eine Hand wäscht die andere. Ein
Küsschen gibt es obendrein.«
Lena stand ebenfalls auf, drückte
Ninus an sich und gab ihm einen herzhaften Schmatzer auf die Wange. »Vorschuss!
Sei vorsichtig.«
»Wenn das keine Motivation ist …
Tschau, Bella. Ich melde mich.«
VI. Wenn ich König von Deutschland wär
›Das alles und noch
viel mehr, würd ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.‹ Der arme Rio
würde sich im Grabe umdrehen, wenn er erführe, wessen Lieblingslied das
geworden war und wie perfide es aus dessen Munde klang, wenn er es lauthals
mitsang. Carla stoppte die Musik. Wie oft hatte sie es gehört, wenn sie bei ihm
gewesen war. Wenn er mit seinem braun gebrannten, durchtrainierten Körper auf
ihr lag, rücksichtlos und brutal in sie eingedrungen war. Sie könnte jetzt noch
kotzen.
Sie hatte es gewollt, es darauf
angelegt, um ihr Ziel zu erreichen, nur um an die Dinge zu kommen, die sie
benötigte. Jetzt waren die Daten, auf die sie es abgesehen hatte, in ihrem
Besitz. Allerdings verschlüsselt, aber das war ihr egal. Sie war sich sicher,
die Polizei würde damit etwas anfangen können. So weit war es jedoch noch
nicht. Erst sollte er bluten. Das Geld interessierte sie einen Scheiß. Ihm war
Geld und Macht das Wichtigste. Ein paar Millionen könnte er locker verkraften,
würde ihn nur ein mildes Lächeln kosten, wenn er es freiwillig hergäbe. Zu
etwas gezwungen zu werden, es nicht in der Hand zu haben, nicht die Fäden zu
ziehen, das kränkte ihn, verletzte seinen Stolz. Sie würde ihn zappeln lassen,
ihn demütigen, so wie er Johannes gedemütigt hatte.
Sie stand im Bademantel in der
Küche. Sie musste etwas essen. Während sie darauf wartete, dass der
Kaffeeautomat bereit war, belegte sie eine Scheibe Brot mit Käse und viertelte
zwei Äpfel. Das Telefon klingelte. Sie erwartete den Anruf und hatte deshalb
das Mobiltelefon mit in die Küche genommen. Nachdem sie kurz zugehört hatte,
sagte sie mit fester und kühler Stimme: »Es gibt nichts zu bereden. Du weißt,
was ich will, du weißt, was du dafür bekommst … nein, nicht heute. Morgen …
doch, wenn ich morgen sage, meine ich morgen … sei vorsichtig mit dem, was du
redest. Sonst überlege ich es mir noch.«
Carla unterbrach die Verbindung.
Sie musste unbedingt Julia erreichen. Sie biss in ihr Brot und wählte dabei die
Nummer ihrer Schwester. Es klingelte mehrmals, bis der Anrufbeantworter
ansprang.
»Hallo, Julia. Carla hier. Ich
muss dich dringend sprechen. Ruf mich
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