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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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fröhlicher Wirbel über die Hänge-Toms für die Idee, sie mit
zu sich nach Hause zu nehmen. Ein dumpfer, Unheil verkündender Wirbel auf dem
Stand-Tom für die Frage, warum sie ihren Bruder getötet hatte. Ein
zischend-zappeliger Wirbel auf der Hi-Hat für die Frage, ob sie es war. Ein grandioser
Abschlusstusch auf die beiden Crash-Becken für Hagens Blödheit, die Frau
verschwinden zu lassen.
    Ninus stand auf, setzte sich an
den kleinen runden Tisch und steckte sich den Rest des Croissants, das er für
Carla gekauft hatte, in den Mund. Noch während er kaute, drehte er eine
Zigarette und zündete sie dann an. Er betrachtete stolz sein Schlagzeug. Für
Ninus war es nicht einfach nur ein Instrument. Es war sein
Psychoanalytiker-Sofa, sein Beichtstuhl und sein Fotoalbum, um in vergangenen
Zeiten zu blättern.

     
    Der 29. September
1997 war einer der üblichen Montage. Hagen hatte einen Berg unbearbeiteter
Schadensfälle vor sich liegen und schaute geistesabwesend aus dem Fenster
seines Büros im 18. Stock des Versicherungshochhauses. Schwere dunkle Wolken
waren aufgezogen, heftige Windböen verfingen sich in den Kronen der alten Bäume
des Kurparks. Plötzlich kam Franz Grotzke in den Raum gestürmt, schleuderte die
Akte vor Ninus auf den Tisch und brüllte los. »Berechtigter Anspruch! Keine
Ungereimtheiten! Auszahlungsanordnung von 20.000 DM. Sie haben nicht mehr
alle Tassen im Schrank.«
    Ninus schwieg. Grotzke beugte sich
vor und schlug die Akte auf. »Lesen Sie, Mann, wenn Sie können. Bericht des
Polizeipräsidiums West. Hier …«, er deutete mit dem Finger auf einen Satz, »…
ist nicht auszuschließen … der Unfall mutwillig herbeigeführt wurde … und
hier … der Unfallgegner ist der Schwager des Unfallverursachers. Und Sie
stellen keine Ungereimtheiten fest. Ein schöner Versicherungsdetektiv sind Sie.
Wir hätten Sie in der Abteilung für die Antragsbearbeitung lassen sollen.«
    Grotzke drehte sich auf dem Absatz
um, stürmte aus dem Büro und knallte die Tür zu. Das Bild des Firmengründers
fiel vor Schreck von der Wand. Der Rahmen zerlegte sich in sämtliche
Einzelteile. Bevor Ninus Luft holen konnte, wurde die Tür wieder aufgerissen.
Grotzke steckte seinen hochroten Kopf herein.
    »Wenn das das erste Mal gewesen
wäre, könnte ich noch mit mir reden lassen. Schon über ein halbes Jahr lang
finden Sie keine Gründe mehr für eine Anspruchsablehnung. Mann, Mann, müssen
Sie fertig sein.« Weg war er.
    Er hat vollkommen recht, dachte
Ninus. Seit Elke ihn verlassen hatte, machte ihm die Arbeit keinen Spaß mehr.
Wenn er aufrichtig war, hatte sie ihm noch nie Spaß bereitet. Grundsätzlich bei
allen Menschen, die einen Schaden meldeten, davon auszugehen, sie seien
Betrüger, hatte ihn verändert. Immer öfter erwischte er sich dabei, niemandem
mehr zu trauen, Freunde inklusive.
    Er hob den gestürzten und
zerbrochenen Firmengründer, der seinen Erben Millionen hinterlassen hatte, auf
und sein Entschluss stand fest. Zwei Tage später knallte er Grotzke die
Kündigung auf den Tisch. Das war an dem Tag, als sein Vater starb.

     
    Ninus drückte die
Zigarette aus. Er nahm den Zettel mit Carlas Adresse zur Hand. Mit der Adresse,
die ihm Bruno durchgegeben hatte. Wenigstens ihre Einkaufstüten könnte ich ihr
vorbeibringen, überlegte er und blickte auf die Uhr. Scheiße, Lena! Fast hätte
er sie vergessen. Zum Glück hatten sie sich bei Alejandro verabredet. Das waren
nur drei Minuten zu Fuß.
    Als er aus dem gleißenden
Sonnenlicht heraus in das Lokal stürmte, musste er stehen bleiben, um seine
Augen an die schummrige Beleuchtung zu gewöhnen. Kaum wurde das Bild klarer,
stand wie aus dem Boden gewachsen der korpulente Wirt vor ihm.
    »Ninus, compañero, Freund,
liebster Gast. Sei gegrüßt und herzlich willkommen in meinem bescheidenen
cabaña.« Dabei umarmte er Ninus derart stürmisch, als käme dieser von einer
langen Reise zurück, obwohl sie sich gestern erst gesehen hatten. Ganz abgesehen
davon, dass er ihm zum hundertsten Mal den Brustkorb zerquetschte.
    »Hola, du alter Spanier. Lange
nicht mehr gesehen.«
    »Si, si, Señor.« Er schaute auf
seine schwere, goldene Armbanduhr. »Exacto dieciséis horas y treinta minutos.«
    »Machst du mir einen Espresso?«
    »Zu Diensten, der Herr. Eine
schöne Dame wartet auf dich.« Dabei zwinkerte er mit dem rechten Auge und
machte eine Kopfbewegung nach hinten.
    »Schön? Ja. Dame? Weiß nicht.«
Damit drehte sich Ninus um und ging zum Tisch, links

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