Sonnenkoenig
gelaufen, dachte Ninus.
Eine Stunde zuvor. Ninus stellte seinen 2CV auf
der anderen Seite der Parkanlage ab. Er ließ das Verdeck offen, da er keinen
beschatteten Platz gefunden hatte. Es war kurz vor 14 Uhr, die Sonne stand hoch
und strahlte mit voller Kraft. Lediglich mit dem ›kleinen Besteck‹ in der
Hosentasche schlenderte er los. Er hatte sich eine Schirmmütze aufgesetzt und
tief ins Gesicht gezogen. Die Sonnenbrille hatte dunkle, große Gläser. Seine
stetig herumwandernden Augen registrierten, wer und was sich um diese Zeit hier
herumtrieb. Es war ruhig. Nur hin und wieder fuhr ein Auto durch die
Walkmühltalanlage, einige Fahrradfahrer strampelten Richtung Wald. Ein Mädchen
führte zwei Hunde an der Leine durch den Park, am anderen Ende lagen einige
Sonnenanbeter auf Decken, hatten Flaschen und Picknickkörbe neben sich stehen.
Gediegene Ruhe in einem gediegenen Viertel mit saftigen Miet- und
Grundstückspreisen, dachte Ninus und betrachtete die Prunkvillen auf der
gegenüberliegenden Seite. Es waren nur wenige Privatpersonen, die sich diese
hochherrschaftlichen Häuser als Wohnung leisteten. Meist waren Firmen darin
untergebracht, oder die einzelnen Stockwerke zu Eigentumswohnungen umgewandelt
worden. Selbst die ursprünglich vom Hauspersonal bewohnten Zimmer in den
Dachetagen wurden für mehr als eine halbe Million Euro verkauft. Das etwas
zurückversetzte, hinter zwei großen Tannen verborgene Haus musste es sein.
Ninus schlenderte weiter, lässig, bummelte. Weiter oben durchquerte er den
Park. Damit sich später niemand an den Fußgänger mit der grünen Kappe und den
weißen Turnschuhen erinnerte, nutzte er möglichst unauffällig den Schutz der
Bäume. Sicher ist sicher.
Nachdem er Lena verlassen hatte,
war er sich nicht schlüssig gewesen, ob er nach Erbach fahren oder erst Lenas
Auftrag ausführen sollte. Zwei Dinge gaben den Ausschlag für Lena. Erstens war
die Mittagszeit sicherlich geeigneter für einen unangemeldeten Besuch, zweitens
war er sich immer noch nicht klar darüber, wie er mit dieser ganzen
Carla-Geschichte umgehen sollte. Immerhin sah es ganz danach aus, als habe
Burows Tochter ihren Bruder umgebracht. Da durfte er nicht einfach zur
Tagesordnung übergehen. Mehrmals war er kurz davor gewesen, seinen Freund, den
Kommissar, anzurufen. Wenn er sich zunächst um Lenas Begehren kümmerte, konnte
er die anderen Entscheidungen noch etwas hinausschieben.
Jetzt stand er vor Kordula
Crowns Haus. Kein Zaun, keine Mauer umgrenzte das Grundstück. Ein mit
Steinplatten gepflasterter Weg wand sich leicht ansteigend zwischen
Rasenflächen, Bäumen und Blumenbeeten hindurch zu dem etwas höher gelegenen
Hauseingang. Wo das Grundstück begann, stand ein etwa 1,50 Meter hoher in
Waschbeton gegossener Pfeiler. Ein blaues Schild mit der Hausnummer, eine
Gegensprechanlage mit Klingelknopf ohne Namensschild und eine große goldfarbene
Briefkastenklappe waren daran angebracht. Weiter unten, in Höhe des Knies, gab
es eine Metalltür mit einem Schloss. Außerdem, und das war das Unangenehme,
stand neben dem Pfeiler ein Baum, auf dessen Stamm in drei Meter Höhe eine
schwenkbare Überwachungskamera angebracht war. Ninus behielt sie im Auge. Bis
jetzt hatte sie sich nicht bewegt. Er wagte den Versuch, ging rückwärts in
Richtung Haus und beobachtete weiter die Kamera. Immer noch keine Bewegung,
kein aufleuchtendes rotes Lämpchen. Er ging nach links, vom Weg herunter,
nichts. Er ging zurück, klingelte, wartete. Drückte mehrmals den Knopf. Keine
Reaktion. Er ging hoch zum Eingang. Dort befand sich an der braunen
Eichenholztür ein Klopfer, den er dreimal fest gegen die Metallplatte schlug.
Keine Reaktion, weder von drinnen noch von der Kamera, wie er mit einem Blick
nach oben feststellte. Er atmete tief ein, ließ zischend die Luft wieder
entweichen und holte das Besteck heraus.
Das Schloss sah ziemlich simpel
aus. Wenn es nicht mit einer Alarmanlage verbunden war, durfte es kein Problem
darstellen. No risk, no fun! Eine Minute später stand Ninus in einem breiten
Flur, der in einem riesigen, runden Empfangsraum endete. Einige Bilder hingen
an den Wänden, rechts eine aus schmiedeeisernen Stäben und Figuren bestehende
Garderobe, daneben eine Kommode aus Rosenholz, auf feinen, schlanken, leicht
geschwungenen Füßen stehend. Darauf stand eine ovale, zart bemalte
Porzellanschale, in der sich allerlei Kleinigkeiten befanden. Ein Golfball, ein
paar Münzen. Ein schwarz-weiß-gepunkteter Fußball,
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