Sonnenkoenig
zurück.«
Carla drückte einen Knopf an der
Kaffeemaschine und wartete, bis die Tasse vollgelaufen war. Sie nahm sie in die
eine Hand, den Teller mit dem restlichen Brot und den Äpfeln in die andere,
ging damit hinüber ins Wohnzimmer und ließ sich in den großen, tiefen
Ohrensessel fallen. Der heiße Kaffee belebte, die Äpfel erfrischten sie. Ihr
Blick fiel auf das Bild, das auf dem Schränkchen gegenüber stand. Johannes
lachend und fröhlich. Ihre Augen schweiften ein Stück weiter nach links. Wieder
Johannes, nun ernst und verbittert. Die Aufnahme war zwei Tage vor seinem Tode
entstanden.
Der Oktober 1997 war verregnet und viel zu kühl.
Deshalb feierten sie den 35. Geburtstag von Johannes nicht wie geplant im Hof
des ehemaligen Weinguts, sondern im Haus. Graue Wolken hingen über dem
Rheingau, Sturmböen trieben die herabgefallenen Blätter durch die Straßen. Der
Regen war mal schwächer und stärker, mal trommelte er nur leicht aufs Dach,
dann wieder peitschte er ums Haus und knallte gegen die Fensterscheiben. Es
waren nur wenige Freunde gekommen. Sehr wenige, dachte Carla und schaute
verstohlen rüber zu Johannes, der zusammen mit Paul und Kordula am Kamin stand.
Das Feuer knisterte und sorgte für eine heimelige Atmosphäre. Johannes hatte
den ganzen Abend noch nichts getrunken, hielt sich an einem Glas Wasser fest.
Er wirkte in sich gekehrt, beteiligte sich nur wortkarg an den Gesprächen. Kein
Wunder, dachte Carla. Was ihm widerfahren war, hatte ihn bis in die tiefsten
Bereiche seiner Seele erschüttert.
Vor zwei Wochen war das Urteil
gegen ihn bestätigt worden. Drei Jahre auf Bewährung wegen betrügerischen
Bankrotts. Alle Beteuerungen Joes hatten nichts genutzt. Er war als
Geschäftsführer allein verantwortlich gewesen, nur er alleine musste dafür
geradestehen. Davon abgesehen gab es nur noch wenige Menschen, die mit Johannes
Kontakt, noch weniger, die ihn für unschuldig hielten. Derart naiv kann man
einfach nicht sein, wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Außerdem war
sein gesamtes Geld und alles, was er sich aufgebaut hatte, futsch. Geblieben
war ein Riesenhaufen Schulden, den er nie abtragen konnte, und wenn er 100
Jahre alt würde. Einziger Lichtblick war das Haus in Erbach, das er und Carla
liebevoll und mit viel Energie restauriert und modernisiert hatten. Offiziell
gehörte es Carlas Vater. Er hatte es ihnen vor drei Jahren zur Hochzeit
geschenkt, war jedoch immer noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Es
gab eine notarielle Verfügung, die besagte, Carla habe für das ehemalige
Weingut das alleinige Nutzungsrecht und erst nach Brunos Tod ginge es in ihr
Eigentum über. Warum Bruno dies so kompliziert gemacht hatte, war ihnen nie
klar gewesen. Nun hatte es sich als Glücksfall herausgestellt. Ob Bruno eine
Vorahnung hatte?
Carlas Blick blieb an Paul hängen.
Wut stieg in ihr auf. Johannes war bösartig hereingelegt worden. Sie ahnte,
wusste es. Paul hatte damit etwas zu tun, davon war sie überzeugt. Wie war es
ihm möglich, sich plötzlich ein so teures Auto zu leisten? Woher kam die
kostspielige Fotoausrüstung, die Miete für das neue, wirklich beeindruckende
Atelier? Als sie ihn darauf angesprochen hatte, war er ihr mit fadenscheinigen
Geschichten ausgewichen. Dennoch zur Geburtstagsfeier zu kommen, empfand sie
als die Krönung der Unverschämtheit. Dabei hatte er alles, was er geworden war,
alleine ihr und Johannes zu verdanken.
Paul war nach seiner Ausbildung
zum Fotografen abgestürzt. Alkohol und Drogen hatten ihn aus der Bahn geworfen.
Es war Carla, die ihm eine Anstellung bei Cos-Prom verschafft hatte. Damals war
Joes Agentur noch eine Goldgrube, sie hatten Aufträge ohne Ende und er konnte
es sich locker leisten, einen eigenen Fotografen zu beschäftigen. Den Tipp,
Paul bei Cos-Prom unterzubringen, hatte Carla von ihrem Chef Rolozko bei der
First-Media-Agency bekommen. Carla arbeitete dort als TV-Planerin. Na ja, als
sie mit Paul bei Cos-Prom auftauchte, bekam sie sofort einen Termin beim
Geschäftsführer, der kein anderer war als Johannes Cosian. Es war Liebe auf den
ersten Blick. Paul hatte einen Job gefunden, der ihm aus seiner Krise half und
Carla einen Mann fürs Leben. Ihr Blick schweifte zurück zu Joe. Sie liebte ihn
noch immer. Vielleicht sogar noch mehr, seit er so verletzlich, so dünnhäutig
geworden war. Zusammen würden sie es schaffen, würden aus dieser
Scheißsituation herauskommen. Johannes blickte auf, ihre Augen trafen sich.
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