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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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Burow, Botschafter der Bundesrepublik
Deutschland, sie persönlich abgeholt hätte. Wenn ich ehrlich bin, habe ich es
eigentlich gar nicht erwartet, sagte sie sich und ertappte den Chauffeur dabei,
wie er sie durch den Rückspiegel beobachtete. Schnell schaute er weg. Es gab
natürlich eine Trennwand im Wagen, die sich hoch- und runterfahren ließ, aber
das fand Carla affig. Sie war es gewohnt, von Männern angestarrt, taxiert und
begutachtet zu werden. Meist ließ es sie kalt, hin und wieder genoss sie es,
gelegentlich regte es sie maßlos auf. Je nach ihrer eigenen Stimmungslage.
    Eine halbe Stunde später betrat
sie die gemietete Villa ihres Vaters im Diplomatenviertel der argentinischen
Hauptstadt und wurde zunächst von dem Hausmädchen begrüßt und anschließend von
Brunos Sekretär in das obere Stockwerk geführt. Es war mittlerweile nach 20
Uhr. Carla fühlte sich müde und erschöpft. An Schlaf war nicht zu denken
gewesen, zu sehr hatte sie beschäftigt, was sie vorhatte und was ihr Leben der
letzten zehn Jahre auf den Kopf stellen würde.
    Der Sekretär klopfte an der
überdimensionierten Eichentür zum Büro ihres Vaters und wartete auf dessen
Antwort. Er drückte die Klinke nach unten, schob die Tür auf und bedeutete
Carla hineinzugehen. Hinter einem Berg von Akten lugte Brunos Kopf hervor. Noch
immer hatte er volles Haar, das mittlerweile gänzlich silbergrau geworden war.
Er erhob sich und Carla war beeindruckt von der immer noch stattlichen,
durchtrainierten Figur ihres Vaters, an der kein Gramm Fett zu viel war. Er
strahlte Selbstbewusstsein, Autorität und Unnahbarkeit aus.
    Er kam um den Schreibtisch herum,
ging auf seine Tochter zu. Carla wusste, er würde nun ihr zuliebe versuchen,
irgendeine Art von Herzlichkeit herauszulassen, Gefühle anzudeuten, die er
normalerweise perfekt unterdrückte. Eine stürmische Umarmung war von beiden
nicht zu erwarten. Es blieb bei Küsschen rechts und links auf die Wangen und
dem üblichen »Schön, dass du da bist. Freut mich, dich zu sehen« sowie dem
beiderseitigen Kompliment »Du siehst blendend aus.«
    Und das nach 20 Stunden ohne Schlaf,
ohne Dusche und ohne die Möglichkeit, sich einigermaßen herzurichten, dachte
Carla. Ihr Vater erriet diese Gedanken und sagte prompt: »Sicher willst du dich
erst frisch machen. Maria wird dir dein Zimmer zeigen.«
    Er drückte auf einen Knopf unter
der Schreibtischplatte, woraufhin einige Sekunden später eine junge
Argentinierin das Büro betrat. Wirklich hübsch, stellte Carla fest. Der dunkle
Teint, die fast schwarzen Augen, die blauschwarzen, kurz geschnittenen Haare,
ein fein gezeichnetes, schmales Gesicht mit einem sehr sinnlichen Mund. Carla
schielte zu ihrem Vater, der hatte bereits wieder hinter dem Schreibtisch Platz
genommen und sich in irgendeine Akte vertieft.

     
    Zwei Tage später war
es so weit. Bruno feierte seinen 65. Geburtstag. Ein rauschendes, pompöses
Fest im Park der Botschaftsresidenz mit fast 200 Gästen. Diplomaten aus aller
Herren Länder, Politiker, Künstler und andere wichtige Persönlichkeiten
Argentiniens standen bei schwülwarmem Wetter in Anzügen, Fracks und langer
Abendgarderobe auf dem Rasen umher und plauderten miteinander. An diesem Abend
feierte der Botschafter nicht nur seinen Geburtstag, sondern hatte außerdem
geladen, um sich von Argentinien und gleichzeitig aus dem diplomatischen Dienst
zu verabschieden.
    Bruno Burows Diplomatenlaufbahn
endete um Punkt 24 Uhr. Die argentinische Hauptstadt war seine letzte Station
gewesen. Ab sofort war er ein agiler, gut betuchter Pensionär. Einen Zustand,
den er nicht akzeptieren wollte. Bis zu diesem Tag hatte er sich noch immer
nicht entschieden, wo er sich niederlassen, seinen Altersruhesitz einrichten
wollte. Seine über zehn Jahre jüngere Ehefrau Agneta, Carlas wenig geschätzte,
eher kühl akzeptierte schwedische Stiefmutter, drängte ihn in den Süden
Europas, zu Sonne, Strand und Meer. Bruno selbst zog es jedoch eher in eine
pulsierende Großstadt, sei es Berlin, New York oder Sydney.
    Auf dem Fest langweilte sich
Carla. Zwar stand sie ebenfalls im Mittelpunkt des Interesses, schließlich war
sie die Tochter des ›embajador‹, das steife Gehabe allerdings und die
oberflächliche Freundlichkeit hatte sie immer gehasst. Schon als Kinder mussten
sie und ihre Geschwister dieses Theater mitspielen. Und auch anlässlich der
Feier ihres Vaters schüttelte sie zahllose Hände, sagte ununterbrochen
›Herzlich willkommen‹ oder

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