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Sonnenkoenig

Sonnenkoenig

Titel: Sonnenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Lifka
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würden uns um dein Grab versammeln anstatt hier …« Ninus
stockte. Das war das falsche Stichwort. Carla schlug die Hände vors Gesicht.
Ninus, du unsensibler Hornochse, schimpfte er mit sich selbst. Gestern erst
hatten sie zusammen vor Pauls Grab gestanden. Carla hinter ihrem Vater, der
alleine angereist war, neben ihm ihre Schwester Julia mit ihrem Mann Wolfgang
und den beiden Kindern, Wanninger und Oberstaatsanwalt Ströcker. Bei der
Erwähnung von Carlas Vater fiel Ninus etwas ein. Er wollte sich in zwei Stunden
mit ihm treffen. Ein Gespräch, vor dem er sich gerne gedrückt hätte. Bruno
verlangte zu Recht einige Erklärungen von ihm. Ninus nahm Carlas Hand.
»Entschuldige. Ich bin ein Trottel.«
    Carla blickte auf. »Ist nicht
deine Schuld. Wenn überhaupt, bin ich es, die sich entschuldigen muss, bei
allen …«
    Lena, die den Aufmarsch um ihr
Krankenlager sichtlich genossen hatte, wurde die Stimmung jetzt allerdings zu
gedrückt. »Ihr lieben Leute, war wirklich schön, euch alle zu sehen, aber nun
ist es genug. Das halte ich nicht aus. Ein Privatdetektiv, der ins
Philosophieren kommt, ein Kriminaler, der von Frühpensionierung träumt und eine
tolle Frau, die mit meinem Liebsten rumfummelt. Das verkraftet die allerbeste
Journalistin nicht und schon gar nicht Lena Rotmilch. Wenn die Herren jetzt das
Gemach verlassen würden, könnte seine rothaarige Majestät sich in Schale werfen
und sich anschließend mit dem gemeinen Fußvolk zu einem Plausch treffen, um
gemeinsam die Wunden zu lecken, Trost und Entschuldigungen auszutauschen und
was es alles noch an zwischenmenschlichen Verarbeitungsritualen gibt. Wenn
Carla mir beim Ankleiden helfen würde, wäre mein Glück vollkommen.«
    Die drei Angesprochenen starrten
sie erst entgeistert an und begannen dann, lauthals loszulachen. Lena spürte
förmlich das Zusammenbrechen ganzer Staudämme.

     
    Ninus in seinem
Kellerloch. Nicht alleine. Ihm gegenüber, auf dem alten, abgewetzten Sofa, das
er vor ein paar Jahren auf dem Sperrmüll gefunden hatte, saß Carla. Wie vor ein
paar Tagen hielt sie den Kopf seitlich geneigt auf den rechten Arm gestützt und
schaute zu ihm herüber. Dunkle Ringe umschatteten ihre Augen und dennoch ging
ein sanftes Strahlen von ihnen aus. Sie trug ein weites, graues Sweatshirt, auf
dem mit roter Schrift für eine englische Universität geworben wurde. Die Beine,
die in engen, ausgewaschenen Jeans steckten, hatte sie übereinandergeschlagen.
Der freischwebende Fuß wippte im Takt des Beatles-Songs.
    Ninus legte die Stöcke auf die
Standtom, erhob sich und nahm neben Carla Platz. So saßen sie eine ganze Weile,
schweigend. Beide spürten, fühlten ihre Verbundenheit, waren glücklich
aufgewühlt, den jeweilig anderen neben sich zu haben, und gleichzeitig
ängstlich verunsichert. Zu viel war über sie herein- und unter ihnen
zusammengebrochen. Schreckliche Szenen, die sie bei Tag und Nacht einholten.
Der Wunsch, einfach zu vergessen und die Gewissheit, niemals vergessen zu
können, konkurrierten in ihnen miteinander.
    Vielleicht, vielleicht nicht. Noch
nicht. Nie? Wie auf ein Zeichen drehten beide ihre Köpfe zueinander hin,
klammerten sich in den Augen des anderen fest, suchten Worte für das
Unaussprechliche.
    Ninus hielt die Stille nicht mehr
aus. Er fingerte seinen Tabakbeutel hervor, drehte sich eine Zigarette, zündete
sie an, zog daran und reichte sie Carla. Sie griff danach, inhalierte ebenfalls
tief, blies den ausströmenden Qualm gegen die Decke und gab den Glimmstängel
Ninus zurück. Er musste etwas sagen. Er musste reden, mit ihr reden. Zaghaft
fing er an.
    »Ich glaube, dein Vater ist mir
nicht mehr böse. Es herrschte zunächst eine sehr angespannte Atmosphäre. Er war
einsilbig, lediglich sein stechender Blick durchbohrte mich. Er hatte sich
alles angehört, ließ mich erzählen, unterbrach nur selten. Am Schluss stand er
auf, drückte mir die Hand und sagte: ›Grüßen Sie Carla. Sie wird verstehen. Ich
kann jetzt noch nicht mit ihr sprechen. Vielleicht später.‹ Er wird dir
irgendwann verzeihen. Lass ihm Zeit. Pauls Tod hat ihn tief getroffen …«
    »… und er gibt mir die Schuld. Er
hat recht. Mein erbärmlicher Rachefeldzug gegen Joes Mörder hat sich zu einem
Fiasko ausgeweitet.«
    »Du warst nur einer unter vielen
kleinen Steinen, die die Lawine ins Rollen brachten. Rolozko hatte nicht nur
dir und Johannes übel mitgespielt. Sein Weg zur Macht war gepflastert mit
derartigen Verbrechen. Dein Pech war es, genau in

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