Sonnenkoenig
dir
erklären.«
»Erklären! Erklären! Da gibt es
nichts zu erklären. Du hast mich hintergangen. Hast mich reingelegt.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit, hast du getönt. Freundschaftlich. Ich muss
kotzen. Alles hätte ich von dir gedacht, aber das. Nein.« Ninus drehte sich um
und eilte zum Krankenhaus zurück.
»Ninus! Bleib stehen. Du verstehst
da was völlig falsch«, rief Wanninger seinem Freund hinterher. Der hob jedoch,
ohne sich umzudrehen, lediglich den Arm und machte eine wegwerfende Bewegung.
Der Hauptkommissar seufzte. Dabei hatte er es sich schön ausgedacht. Das
Gespräch mit der Cosian war lange und erkenntnisreich gewesen.
Während Wanninger das
kochende Wasser gleichmäßig über das Kaffeepulver laufen ließ, dozierte er.
»Das Wasser muss kontinuierlich in den Filter fließen. Das Pulver muss
aufgeschwemmt werden, bis sich obendrauf eine hellbraune Schaumkrone bildet.
Diese Krone muss erhalten bleiben, bis das gesamte Wasser eingefüllt ist. Ein
genau austarierter Vorgang zwischen der Menge des zufließenden Wassers und des
unten heraustropfenden Kaffees. Riechen Sie den wohligen Duft des feinen und
dennoch kräftigen Aromas? Schnuppern Sie, hängen Sie Ihre Nase in den Wind.«
Carla Cosian saß am Schreibtisch
des Hauptkommissars. Ihre Welt war aus den Fugen geraten. Lena Rotmilch kämpfte
um ihr Leben, der Kommissar hatte gerade einen Menschen erschossen, hatte sie
festgenommen und palaverte nun seelenruhig übers Kaffeekochen. Verrückt,
wahnsinnig oder völlig gefühllos. Wahrscheinlich alles zusammen.
»Sie müssen mich für verrückt
halten, Frau Cosian. Doch die zeremonielle Zubereitung dieses göttlichen
Getränks ist für mich eine Art Meditation, oder stilles Gebet, oder Yoga, oder
wie immer Sie es auch nennen wollen. Hierbei werde ich mir über meine Gefühle klar
und kann gleichzeitig die Gedanken sortieren.«
Der Kaffee war fertig. Wanninger
füllte zwei aus dünnem Porzellan gefertigte Tassen und stellte eine davon vor
Carla ab. »Milch, Zucker?«
»Schwarz.«
»Sehr vernünftig.«
Wanninger schlürfte an seiner
Tasse, sog den Kaffee regelrecht auf, lehnte sich zurück und genoss mit
geschlossenen Augen. Als er sie wieder öffnete, setzte er sich aufrecht hin und
schaute Carla herausfordernd an. »Jetzt sind Sie dran. Ich gebe Ihnen einen
freundschaftlichen Rat. Lassen Sie nichts aus. Machen Sie Tabula rasa, wie
gebildete Menschen dazu sagen.«
Carla räusperte sich, überlegte
kurz, wo sie anfangen sollte, begann zunächst zögerlich, nach einigen Minuten
immer flüssiger, zu erzählen. Sie fing damit an, wie sie Paul bei Cos-Prom eine
Stelle verschafft hatte, dabei Johannes kennenlernte und wie sie sich
verliebten und heirateten. Wanninger hörte konzentriert zu, unterbrach sie
nicht.
»Als ich vor vier Jahren zufällig
erfuhr, wie Johannes reingelegt, regelrecht in den Tod getrieben worden war,
brachen alle Dämme. Ich hatte nur noch das eine Ziel: Joes Tod zu rächen. Ich
kann es anders nicht beschreiben. Die Gesellschafter von Cos-Prom waren neben
Johannes Andrej Rolozko und Kordula Crown. Nachdem ich den entsprechenden
Hinweis bekommen hatte, war es nicht schwer gewesen, herauszubekommen, wie die
beiden es geschafft hatten, das gesamte Kapital von Cos-Prom auf irgendwelche
Nummernkonten in der Schweiz und Liechtenstein fließen zu lassen und damit die
Firma in den Konkurs zu treiben. Rolozko und Crown wurden reich, Johannes
verlor durch den Konkurs sein gesamtes Geld, das er in die Firma gesteckt
hatte, und wurde obendrein noch verurteilt. Außerdem war ich davon überzeugt,
mein Bruder Paul habe mit Rolozko gemeinsame Sache gemacht. Nach dem Konkurs
schwamm er plötzlich in Geld, fuhr teure Autos und leistete sich ein
supermodernes Fotoatelier. Nachdem mir das alles klar geworden war, bin ich zu
Paul gegangen. Er wohnte damals schon in der Neugasse. Ich stellte ihn zur
Rede, es kam zu einem heftigen Streit. Er wollte mich beruhigen, wollte mich
anfassen und ich stieß ihn von mir weg …« Carla hielt inne. Schaute unter sich,
nippte am Kaffee und fuhr fort. »Er stürzte die Holzstufen hinunter und kam
unglücklich auf. Die Beine blieben für immer gelähmt. Zunächst hatte er
behauptet, ich hätte ihn absichtlich gestoßen – den Rest wissen Sie. Als ich
ein Jahr später wieder nach Deutschland zurückkam, erzählte er es mir. Er hatte
das Geld von Rolozko bekommen. Geschenkt, ohne irgendeine Gegenleistung. Da
wurde mir klar, was für einen perfiden Plan sich
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