Sonnenkoenig
Ereignisse unaufhaltsam aufeinander zu. Der Crash war unvermeidbar.
Wie hättest du das stoppen können?«
»Ich habe viele, viele Fehler
gemacht. Hätte ich Carla, als ich sie neben dem toten Paul gefunden habe,
direkt zur Polizei gebracht oder hätte ich Beppo sofort die Wahrheit gesagt
oder hätte ich dich nicht mit in die Sache hineingezogen oder hätte …«
»… hätte, hätte, hätte. Wäre ich
nicht geboren worden, hätten wir uns nicht kennengelernt, wäre ich nicht
lesbisch, hätten wir geheiratet und du wärst einem anständigen Beruf
nachgegangen. Es ist, wie es ist. Wir können uns das Gehirn zermartern, was wir
wann und wie anders hätten machen sollen, können oder müssen. Es wird dadurch
nicht ungeschehen. Das Einzige, was bleibt, ist die Erkenntnis, Vergangenes als
lehrreiche Erfahrung mit in die Zukunft zu nehmen, um uns noch mehr
anzustrengen, es zukünftig vielleicht ein bisschen besser zu machen …«
»… und: Es gibt Menschen, wenige
zwar, denen wir vertrauen können, denen wir aber auch vertrauen müssen …«
»… wen meinst du?«
»Freunde. Nicht Verwandte,
Bekannte, Geschäftspartner, Kollegen oder Ferien- und Kneipenbekanntschaften,
nein, echte Freunde. Menschen, die uns unser Leben hindurch begleiten, mit uns
alle Höhen und Tiefen durchfahren und uns akzeptieren, wie wir sind.«
»Amen.« Lena war baff. Den
philosophierenden Ninus hatte sie bisher noch nicht kennengelernt.
»Du denkst dabei nicht an eine
nette, rothaarige, gut aussehende, freundliche und attraktive junge Dame?«
Ninus sah sich im Krankenzimmer
um, schaute unters Bett und grinste: »Nö, kenne ich nicht. Sollte so jemand
hier im Raum sein?«
Der Boxhieb in seine Seite war
freundschaftlich gemeint, traf jedoch genau einen blauen Fleck, den der
betrunkene Urlaubsheimkehrer auf seinem Rücken hinterlassen hatte. »Autsch,
verdammt. Du rothaarige Hexe, ich werde …«
Bevor er weiterreden konnte, hatte
Lena ihn umarmt, drückte ihn an sich, was ebenfalls nicht ganz schmerzfrei abging,
küsste ihn auf die Stirn, auf die Wangen und auf den Mund.
»Habe ich es mir doch gedacht«,
hörten sie eine Frauenstimme von der Tür her. Ninus und Lena hatten niemanden
hereinkommen gehört. »Kaum fünf Minuten von der Leine gelassen, finde ich dich
knutschend in fremden Frauenarmen. Du solltest dich schämen.«
»Das Ganze in einem öffentlichen
Krankenhaus. Ein Skandal«, ergänzte eine männliche Stimme aus dem Hintergrund.
Peinlich berührt ließen Lena und
Ninus voneinander ab. Hagen erhob sich, vor Schmerzen ächzend. »Rein
freundschaftlich. Völlig unerotisch, mehr … autsch.«
Ein weiterer Boxhieb hatte ihn
getroffen.
»Auch noch sadomasochistisch. Das
wird immer schöner.« Carla Cosian ging auf Ninus zu, baute sich vor ihm auf.
»Was können Sie zu Ihrer Entschuldigung vorbringen?«
Hagen machte ein Gesicht, als
müsse er angestrengt überlegen, kam jedoch schnell zu einer Entscheidung. Er
streckte die Arme aus, fasste Carla um die Hüften, zog sie zu sich heran und
küsste sie lange und ausdauernd.
»Auf großen Widerstand ist unser
Detektiv da jetzt nicht gestoßen«, stellte Hauptkommissar Wanninger an Lena
gewandt fest.
»Männer!«, war ihr ganzer
Kommentar.
»Frauen!«, ergänzte Beppo. Er trat
neben das Bett der Journalistin, reichte ihr die Hand und fragte: »Wie geht’s?«
»Bevor dieser detektivische
Weiberheld den Raum betrat, recht gut. Das heißt, eigentlich sehr gut. Die
wollen mich heute noch hier rauswerfen.«
»Das freut mich«, sagte Beppo,
ohne die beiden Küssenden aus den Augen zu lassen. »Ob die irgendwann
aufhören?«
»Lassen Sie nur. Das ist anfangs
so. Später werden die Kussorgien immer kürzer. Wie geht es Ihnen eigentlich?«,
fragte Lena besorgt den Kommissar.
Wanninger fuhr sich nervös mit
beiden Händen übers Gesicht, trat von einem Bein aufs andere und durchlebte in
Sekunden nochmals seine Fahrt in Rolozkos Wagen. Er winkte mit einer Hand
lässig ab. »Das Disziplinarverfahren gegen mich ist eingeleitet und kann mir
einen verfrühten Ruhestand einbringen, wenn es dumm läuft.«
»Rolozko wurde doch gefasst. Das
ist ausschließlich Ihrer Initiative zu verdanken.«
»Eher wohl unserem Romeo da
drüben. Ich hatte die entscheidende Phase leider verschlafen.«
Jetzt lösten sich Carla und Ninus
voneinander und traten ebenfalls an Lenas Bett. Ninus legte Beppo den Arm auf
die Schulter. »Verschlafen ist wohl die Untertreibung des Jahres. Fünf Minuten
später und wir
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