Sonnenkoenig
Geschehnisse der letzten Tage
klar zu werden, sie im Zusammenhang zu sehen und vielleicht Ideen zu
entwickeln, wie nun diese ganze Geschichte zu einem Ende geführt werden könnte.
Er gab nach wenigen Minuten auf. Zum einen fehlten ihm einfach jede Menge
Informationen, zum anderen war er viel zu erschöpft und sein Kopf noch immer
eine Baustelle. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis vor dem Haus ein
taubenblauer Opel Vectra hielt. Am Steuer saß Graf. Ninus stieg dort hinaus, wo
er reingekommen war, kletterte übers Tor und landete direkt vor der Schnauze
des Wagens. Als er sich neben Graf setzte, sagte dieser nur. »Wenn Detektive
vom Himmel fallen, wird es bald Regen geben.«
»Vielen Dank für Ihre Mühe, Herr
Graf. Ist Ihnen auf der Fahrt hierher ein Jeep aufgefallen, vielleicht in der
Nähe?«
»Mein Vectra ist Ihnen wohl nicht
gut genug?«
»Nein, nein, ein wundervolles
Auto. In dem Jeep sitzt jemand, der mir nicht nur mein Hab und Gut gestohlen
hat, sondern auch mein Leben will.«
»Wow, wie dramatisch. Detektiv
müsste man sein. Man muss keine Akten wälzen, keine Vorschriften beachten,
könnte sich von Staatsdienern abholen lassen …«
»Ja, ja, ja. Vergessen Sie es.
Haben Sie das Telefon?«
Graf holte das grüne Gerät aus dem
Handschuhfach. Sofort begann Ninus, die letzten ein- und ausgegangenen Anrufe
zu kontrollieren. Als er die letzten beiden Textnachrichten gelesen hatte,
schloss er die Augen und stöhnte auf.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte
Graf besorgt.
»Ich glaube, Ihr Chef ist gerade
dabei, eine Riesendummheit zu machen.«
»Das wäre nichts Neues. Besonders
seit er Sie kennt, häufen sich derartige Dinge.«
»Jetzt ist keine Zeit für Scherze.
Fahren Sie los. Ninus schaute auf die Uhr. Kurz vor 20 Uhr. »So schnell es Ihr
schöner Wagen zulässt. Jede Minute zählt.«
»Wenn ich noch erfahren dürfte,
wohin ich rasen darf?«
»Sonnenberger Straße.«
20 Minuten später brachte Graf
seinen Vectra vor Rolozkos Villa zum Stehen. Ninus riss die Tür auf, rannte zum
Eingang. Natürlich war sie verschlossen. »Sie müssen irgendein Einsatzkommando
bestellen, das da reinkommt«, schrie er.
»Mit welcher Begründung denn? Nur
weil Sie vermuten, ein Herr Kommissar hält sich darin auf? Das erfordert an und
für sich noch kein Eingreifen des Sonderkommandos.«
Da Ninus den Wagen,
der von Rolozkos Grundstück gekommen war, nicht anhalten konnte rannte er zum
Wagen des Polizisten, ließ sich hinters Steuer fallen und wollte losfahren. Im
letzten Moment gelang es Max Graf, noch auf den Beifahrersitz zu springen.
Eine weitere Verfolgungsjagd,
dachte Ninus. Die zweite am heutigen Tag. Ninus folgte in sicherem Abstand dem
Volvo. Endlich hatte Graf kapiert, was vor sich ging, und telefonierte wild in
der Gegend herum.
»Sagen Sie Ihren Leuten, sie
dürfen keinesfalls den Wagen stoppen oder sonst wie eingreifen. Ich bin mir
sicher, Rolozko hat Carla und Wanninger als Geiseln genommen. Das war
wahrscheinlich nicht geplant. Als er von seinem Lakaien über meine Flucht
informiert wurde, war Carla seine letzter Trumpf. Und Wanninger.«
Ninus könnte sich ohrfeigen. Er
hatte diesen langhaarigen Verbrecher entkommen und telefonieren lassen und
sicherlich Beppos Plan zunichtegemacht. Wenn Beppo und Carla etwas geschehen
würde, ging das ganz allein auf seine Kappe. Erst Lena, jetzt Carla und Beppo.
Das durfte nicht sein. Er zwang sich, nicht daran zu denken, sondern sich nur
auf die aktuelle Situation zu konzentrieren, wenigstens jetzt keinen Fehler zu
machen. Ihm musste etwas einfallen, wie die beiden sicher aus den Klauen
Rolozkos zu befreien waren.
Mittlerweile befuhr der Volvo die
A 66 Richtung Frankfurt. Die Sonne war untergegangen, die Nacht brach
herein. Hinter ihnen schlossen die beiden angekündigten Fahrzeuge des LKA auf.
Im Rückspiegel sah Ninus, wie einer der beiden schwarzen Limousinen auf die
linke Spur wechselte, an Grafs Wagen vorbeizog und sich hinter Carlas Auto
klemmte.
»Ist der verrückt! Fragen Sie
nach, was das soll«, forderte Ninus seinen Beifahrer auf. Doch noch bevor Graf
und Hagen kapierten, was vor sich ging, überholte das LKA-Fahrzeug den Volvo,
scherte knapp vor ihm wieder ein und verlangsamte das Tempo. Der zweite Polizeiwagen
befand sich mittlerweile neben Rolozkos Wagen.
»Pfeifen Sie diese Idioten
zurück«, brüllte Hagen. Zu spät. Der Volvo scherte ruckartig nach rechts aus,
schoss über die Standspur hinweg, raste seitlich gegen die Leitplanke.
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