Sonnenlaeufer
genießen, während Rohan Ianthe übergeben wurde. Beliaev traute ihr ganz und gar nicht, aber jegliche Änderung des Planes konnte ihm im Augenblick nur schaden. Was ihre Pläne mit dem Prinzen anging, so waren ihm verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf geschossen, die er jedoch alle mit einem Achselzucken abgetan hatte. Ob sie Rohan als Schoßhündchen behielt oder ihn von den Klippen stieß, Beliaev kümmerte es nicht.
Er streckte sich, konnte jedoch keine Hand von den Zügeln oder der Longe nehmen, um sein Kreuz zu massieren. Er dachte darüber nach, wie er seine Brüder im Norden auf dem schnellsten Weg informieren könnte, dass die Vorbereitungen beschleunigt werden mussten. Der Angriff auf Tiglath – ein kühner Plan – würde früher als geplant stattfinden müssen. Ianthe und Roelstra hatten zwar davor gewarnt, aber es würde nie einen besseren Zeitpunkt geben, um die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Der Hoheprinz würde schon bald, zusammen mit dem jungen Prinzen Jastri aus Syr, militärische Manöver auf der Syrener Seite des Faolain durchführen. Roelstras Plan war es, diese Armeen einzusetzen, um in einer einzigen entscheidenden Schlacht alle Truppen zu vernichten, die die Wüste aufbringen konnte. Deshalb hatte er den Merida befohlen, nicht gegen Tiglath vorzugehen, weil dies Lord Chaynal zwingen würde, seine Truppen aufzuteilen und nach Norden und Süden zu schicken. Aber da lag Tiglath, wie eine reife Frucht, die nur darauf wartete, gepflückt zu werden, und wenn der Hoheprinz glaubte, die Merida würden diese Chance verstreichen lassen, dann war er im Irrtum. Wenn sich Lord Radzyns Armee teilte, um Tiglath ebenso wie die Grenze am Faolain zu verteidigen, nun, dann war das Pech für Roelstra. Eigentlich, so sagte sich Beliaev, tat er Roelstra doch nur einen Gefallen, indem er sich für ihn um die eine Hälfte der Wüste kümmerte. Und außerdem, mit Tiglath in Merida-Hand würde Roelstra keine Möglichkeit mehr haben, sein Versprechen zu brechen, dass die nördliche Wüste wieder in den Besitz ihrer rechtmäßigen Eigentümer übergehen werde. Beliaev traute dem Hoheprinzen nicht.
Er blickte nach unten, als sich Rohans heller Kopf bewegte und ein ersticktes Stöhnen über dessen Lippen kam. Beliaev zog den Fuß aus dem Steigbügel und versetzte Rohan sorgfältig einen Tritt direkt über dem Ohr. Weiteren Schaden konnte er ihm aus Angst vor Ianthes Zorn nicht zufügen. Der Prinz versank erneut in Bewusstlosigkeit. Schwaches Mondlicht glänzte auf dem Blutflecken an seiner Schulter, und Beliaev lächelte. Schlechte Zeit oder nicht, er hatte Rohan in sicherer Gewalt und würde ihn abliefern, wie er versprochen hatte. Im Winter würden die Merida endlich wieder von Stronghold aus herrschen.
Diese glückliche Zukunftsvision hielt ihn in den nächsten paar Längen auf den kurvenreichen Bergpfaden aufrecht. Endlich streckte die Sonne die ersten Finger am östlichen Himmel empor, und Beliaev beschleunigte leicht ihr Tempo. Er verfluchte die Notwendigkeit, die Wüstengarnison unterhalb von Feruche weiträumig zu umgehen, denn dieser Umweg verlängerte ihre schier unendliche Reise um weitere zehn Längen. Aber alles wäre umsonst, wenn Rohans Männer diese merkwürdige Gesellschaft nach Feruche einreiten sehen würden.
Die Sonne brannte den ganzen Tag lang sommerheiß vom Himmel, und selbst in der Dämmerung war sie noch brutal. Schließlich jedoch führte Beliaev sein Grüppchen einen schmalen Weg entlang. Überraschte Wachen auf ihren einsamen Posten riefen ihn an, aber er antwortete nur mit einem Schnauben. Die Türme der Burg erhoben sich über den Felsen, aber es dauerte noch volle drei Längen, ehe er endlich die Tore erreichte. Im Hof schwang er sich vom Pferd. Jeder Muskel schmerzte ihn, als er dem ersten Diener, der sich näherte, den Wasserschlauch entriss. Nachdem er gierig getrunken hatte, stieß er einen langen Seufzer aus und drehte sich um. Ianthe rief ihn ungeduldig von der Treppe her zu sich.
»Warum bist du so schnell zurück?«
»Sei froh, dass ich überhaupt wieder da bin«, gab er zurück. Im Namen der Göttin, die Frau war schön! Sein Blick wanderte über ihren perfekten Körper, der kaum von einem gelben, seidenen Morgenmantel verhüllt wurde. Ihr Haar war wirr, ihre Füße nackt, und es war offensichtlich, dass sie durch seine Ankunft in ihrem Mittagsschlaf gestört worden war. Als ihr Gesicht jedoch plötzlich von innen her erstrahlte, wusste er, dass sie Rohan entdeckt
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