Sonnenlaeufer
sie sich entschlossen zu einer königlichen Haltung und ging ins Speisezimmer, um Lügen zu erzählen.
Kapitel 23
Als er zum ersten Mal erwachte, glaubte er, erneut an der Seuche erkrankt zu sein. Der bohrende Schmerz in seinem Kopf, das Fieber, die geschwollenen Augen und die dicke Zunge, der Geschmack von Dranath – alles genauso. Aber als er sich aus dem Nebel der Krankheit und aus der Betäubung der Drogen kämpfte, da fühlte er das Brennen in seiner rechten Schulter und roch die Medizin der Verbände. Derselbe Geruch hatte den Raum erfüllt, in dem sein Vater gestorben war. Rohan sah sich der Erinnerung gegenüber und der Möglichkeit, dass auch er sterben könnte. Er tastete nach seiner Schulter, um über das Ausmaß seiner Verletzung Bescheid zu wissen. Seine Handgelenke wurden fest umklammert, und eine Stimme, die er nicht erkannte, befahl ihm, sich ruhig zu halten.
Panik zuckte durch seinen geschwächten Körper. Zunge und Verstand waren benommen, und er war Gefangener von Muskeln, die nicht reagierten. »Sioned …«, versuchte er zu sagen.
»Pst. Schlaf jetzt, dann wird es dir bald besser gehen.«
Etwas an dieser Stimme quälte sein Gedächtnis, und er wehrte sich gegen die Hände, die seine eigenen umklammert hielten. »Sioned!«
»Du musst jetzt schlafen.«
Schwerer, mit Dranath und etwas anderem versetzter Wein wurde ihm eingeflößt, und er würgte. Eine andere, männliche Stimme fluchte. Ein zweites Paar Hände hielt sein Gesicht, und noch mehr Wein rann durch seine Kehle. Ein Hustenanfall riss ihm fast den Schädel entzwei, und Muskelkrämpfe zogen seinen Bauch, die Schultern und den Rücken zusammen.
»Leg dich hin«, befahl der Mann, und da der Wein sich in ihm ausbreitete, hatte er keine andere Wahl, er musste gehorchen. »Ich hatte eingewilligt, ihn herzubringen, nicht, ihn zu pflegen«, fuhr der Mann zornig fort.
»Schweig«, sagte die Frau. Sie klang gelangweilt. »Wenn du vorsichtiger gewesen wärst …«
»Wie du siehst, ruft er nach ihr«, höhnte der Mann. »Hast du erwartet, er würde nach dir rufen? So fest habe ich ihn nicht an den Kopf getreten.«
»Deine Spitzen sind genauso durchsichtig wie dein verdammtes Zeitgefühl«, gab die Frau eisig zurück.
»Bis morgen wird er schon in Ordnung sein. Das Fieber wird bald fallen.«
»Du begreifst nicht, wie groß das Risiko ist.«
»Er muss doch nur dazu fähig sein. Ich nehme doch nicht an, dass du wünschst, er wäre zu einem klaren Gedanken fähig.«
»Dein Feingefühl setzt mich ebenfalls in Erstaunen.«
Rohan hatte es fast. Er wusste fast, wo er diese Stimme schon einmal gehört hatte. Doch während er noch nach der Erinnerung suchte, setzte die Wirkung des Weins ein, und er fiel in tiefen Schlaf.
Sioned schob ihre Finger in die Reithandschuhe aus Drachenhaut, während sie auf der kalten Veranda des Gutes darauf wartete, dass man ihr Pferd brachte. Sie war sich der Menge in Lord Baisals Hof und der verstohlenen Blicke, die sie streiften, bewusst, und so ging sie weder auf und ab, noch wirkte sie nervös. Die eisige Ruhe der Prinzessin war ein nützlicher und sonderbar tröstlicher Schutz; indem sie sich weigerte, Gefühle zu zeigen, konnte sie auch verhindern, dass sie sie empfand.
Ihr Bruder näherte sich, als ihr grauer Hengst von den Stallungen herübergebracht wurde, und Sioned unterdrückte ihre Ungeduld angesichts der Auseinandersetzung, die ihr nach seinem Gesichtsausdruck bevorstand. Sie hatte keine Zeit.
»Du bist also immer noch zu dieser verrückten Sache entschlossen?«, fragte er vorwurfsvoll und nahm dem Knecht die Zügel ab. »Dann nimm wenigstens mehr Leute zu deinem Schutz mit! Du kannst nicht wissen, was dich da draußen erwartet – oder wer.«
»Gerade darum ist meine Gruppe so klein. Mein verräterisches Haar ist verborgen worden, und meine königlichen Abzeichen wurden entfernt«, gab sie zurück. »Gütige Göttin! Eine Prinzessin, die verkleidet durch ihr eigenes Land reitet!« Sie entriss ihm die Zügel und schwang sich auf den Rücken des Grauen. Sie wünschte, sie hätte den Kopf unbedeckt lassen können, um die leichte Brise zu spüren. Die Sonne stand erst zwei Fingerbreit am Himmel, und schon war es heiß. Sechs Jahre lebte sie nun schon in der Wüste, aber sie hatte sich noch immer nicht an das brutale Klima gewöhnt, und dabei ging gerade erst das Frühjahr zu Ende. Im Sommer würde sie bereits ausgelaugt sein.
»Ich wünschte, du würdest Lord Chaynals Ankunft abwarten«, erklärte
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