Sonnenlaeufer
ob er wohl selbst zu dieser Erkenntnis gekommen war.
Seine Antwort bestand aus ziemlich genau denselben Überlegungen, über die sie mit Milar gesprochen hatte, und Andrade dankte der Göttin aus tiefstem Herzen. Rohan würde als regierender Prinz kein leichtes Leben haben, aber er würde sicher nicht das Opfer von Menschen werden, die klüger waren als er. Davon würde es ohnehin nicht viele geben. Als er ihr erklärt hatte, warum sein Leben keinen Pfifferling mehr wert sein würde, sobald er eine von Roelstras Töchtern mit einem Erben beglückt hätte, lächelte Andrade anerkennend.
»Dein Verstand arbeitet jedenfalls«, war alles, was sie ihm an Lob zukommen ließ. »Nachdem du jetzt Gelegenheit hattest, darüber nachzudenken, sag mir, warum du vielleicht besser meine Faradhi- ›Hexe‹ heiraten solltest.«
Rohan ließ sich Zeit mit der Antwort, aber dann meinte er mit wachsender Begeisterung: »Zum einen wegen der Information. Ein Kelte von Faradhi’im , über das ganze Prinzenreich verteilt, könnte ausgesprochen nützlich sein.«
»Und wie kommst du auf einmal darauf, dass ich dir erlauben würde, sie zu benutzen?«
»Weil ich glaube, dass du etwas Größeres für mich planst, und das bedeutet auch, dass du alles und jeden benutzt, den du in die Hände bekommst. Ich weiß, warum du deine Schwester gedrängt hast, meinen Vater zu heiraten, und ich weiß alles über deine Spione – ich spreche hier nicht von den offiziellen Lichtläufern, Andrade.« Seine Züge wurden härter und entschiedener. »Was willst du wirklich? Warum hast du mir dieses Gesicht gezeigt? Du wusstest, dass ich sie schön finden würde. Wie willst du uns benutzen?«
»Wenn ich lange genug lebe – wenn du lange genug lebst –, finden wir das vielleicht noch heraus. Ich tue nur, was die Göttin von mir verlangt.«
»Drachendreck«, erklärte Rohan. Seine Stimme war freundlich, aber seine Augen funkelten wie blaues Eis. »Sie sagt dir, was du hören möchtest. Du stellst mich als direkten Gegner von Roelstra auf. Warum?«
»Soll das heißen, dass du das trotz all deiner Studien und deines gründlichen Nachdenkens nicht erkannt hast?«, spottete sie. Wie klar er seine Lage erkannte, hatte sie zornig und ein wenig ängstlich gemacht.
Er trat einen Schritt auf sie zu. Das Feuer brannte zwischen ihnen, und nichts Sanftes oder Jungenhaftes ging mehr von ihm aus. »Was hast du für Pläne mit mir, Andrade?«
Die Jahre und die Verantwortung, alter Hass und Hoffnungen und selbst ein paar Träume hüllten sie ein wie ein eiserner Mantel. »Rohan – was Roelstras Töchter angeht, ist es genauso, wie du es gesagt hast. Ich fürchtete nur, er könnte sein Angebot machen, ehe ich Zeit hätte, mit dir zu reden. Dein Vater hat niemals auch nur auf ein einziges Wort gehört, das ich gesagt habe. Er hat mir nicht recht vertraut.«
»Und wieso sollte ich das tun?« Seine Stimme war kalt.
»Wenn nicht mir, dann doch Sioned.«
»Sie hat also einen Namen. Ich habe mich schon gewundert.«
»Sie bedeutet mir sehr viel, Rohan. Aber was ich will, zählt nicht. Sie war es, die dich schon vor Jahren im Feuer gesehen hat.«
»Hat sie das?«
»Hast du nichts gefühlt, als du sie heute angesehen hast?«
»Was ich fühle, geht dich nichts an. Hast du etwa schon nach ihr geschickt?«
»Sie wird bald eintreffen.«
»Und du nennst mich arrogant! Das liegt im Blut – wie die Faradhi- Eigenschaften, die Tobin hat und ich nicht. Das wolltest du also von meinen Eltern, oder nicht? Einen Faradhi- Prinzen. Tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe. Aber jetzt versuchst du dasselbe noch mal, ja? Ich frage mich nur, ob Sioned das weiß.«
Andrade erwiderte seinen Blick, ohne auf seinen Sarkasmus einzugehen – denn ihr war nicht entgangen, wie er den Namen des Mädchens auf der Zunge zergehen ließ, als wollte er sie an die Silben und seine Ohren an den Klang gewöhnen. »Du musst sie nicht heiraten, wenn sie dir nicht gefällt. Wenn sie ankommt, werdet ihr es wissen.«
»Hast du nicht alles längst geplant?« Doch schon im nächsten Augenblick veränderte sich sein Ausdruck, und er murmelte: »Es tut mir leid.«
Sie beobachtete ihn, diesen Kindsmann mit den täuschend sanften Augen, dieses Prinzchen, das bald über die Weite der Wüste herrschen würde – und eines Tages vielleicht, wenn ihre verschwommenen Visionen richtig waren und die Göttin sie nicht mit Lügen verspottet hatte … Es wäre aber auch genug, wenn Rohan und Sioned zusammen sein
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