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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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wirbelten ins Licht – das klare Weiß von Diamanten, das intensive Saphir von Rohans Augen, das goldene Bernstein seines sonnenhellen Haares. Dies war ihr Bruder, sagte sie sich, diese Farben, die in der Nacht tanzten und leuchteten.
    »Kind …« Sioned zog all das sanft wirbelnde Sternenlicht in ihre Hände und hielt es über das Kind. »Mein Kind, ich gebe dir FEUER , damit es deinen Weg erleuchtet. Lichtläufer-Feuer von der Mutter, die dir auch deinen Namen gibt.«
    Das Baby streckte die Hände nach den verwobenen Farben aus, und Sioned erlaubte ihm, sie einen Augenblick zu berühren. Dann hob sie die LUFT und das WASSER und die ERDE, die alle mit dem FEUER der Sterne zusammen wirbelten, und schleuderte sie auf die Wüste unter ihnen. Die Weberei breitete sich aus wie ein Teppich, durchzogen von Farbsträngen, die jetzt von Sioneds eigenen Farben noch verstärkt waren, und zum ersten Mal sprach sie den Namen ihres Kindes aus.
    »Pol«, hauchte sie. »Geboren aus dem Feuer der Sterne. Dies ist dein Name, mein Sohn, und es ist deine Mutter, die dir all diese Dinge gibt.«
    Sie hob ihn hoch und drehte ihn so, dass er das verwebte Licht über der Wüste sehen musste, das jetzt vibrierte wie Funken aus einem zugigen Kamin oder wie ein Teppich aus vielfarbigen Blüten, die in der Brise schimmern. Es glitt über die Hügel und Vertiefungen der Dünen unterhalb, wickelte sich um die Felsen, leuchtete blau und rot und grün und golden, alles durchwirkt mit glitzernden Pünktchen wie Diamanten. Endlich senkte es sich auf den Sand, und alles war wieder sternenhelles Schweigen.
    Nach einem Moment murmelte Sioned den traditionellen Abschluss des Namensrituals. »Es ist die Pflicht einer Mutter, ihr Kind zu benennen. Dies habe ich getan. Sein Name sei Pol.«
    Die Vertrautheit der abschließenden Worte löste Tobin nicht aus ihrer Verzückung. Sie wusste, dass sie Zeugin von etwas nie zuvor Gesehenem geworden war, von etwas, das noch nie auch nur erträumt worden war. Und doch war da etwas anderes, Vertrautes, das Gefühl, das sich in ihrem Kopf und ihrem Herzen ausgebreitet hatte. Sie hatte es in der Nacht des Rituals für ihren Vater empfunden, als die Faradhi’im das Mondlicht bereist und sie mit sich genommen hatten. Aber jetzt schienen weder die Sonne noch die Monde, es gab kein Licht, das sich zu einem Weg durch den Himmel verweben ließ – nichts außer den Sternen und ihrem zarten Feuer. Zerbrechliche, fast transparente Lichtwege erzitterten um sie her, Straßen, die Sioned eröffnet hatte, die neben ihr kniete und mit verhangenen Augen das Kind umklammerte. Tobin wusste, dass sie nicht mehr bei ihnen war, sondern auf diesen Bändern aus Sternenlicht reiste. Und Tobin schloss die Augen und folgte ihr.
    Sie war sich des Fluges nicht bewusst, der sie schnell und sicher zum Schlachtfeld brachte. Im Schein des Feuers sah sie, wie die Toten eingesammelt und die Verwundeten behandelt wurden, und sie schauderte. Wo waren ihr Gemahl, ihr Sohn und ihr Bruder? Sie konnte Sioneds Farben vor sich fühlen, die ebenso verzweifelt suchte wie sie. Und dann waren sie zusammen, glitten an einem einzelnen Strang aus Sternenlicht entlang, jenseits des stummen Feldes und über kleine Hügel, die schattige Täler beherbergten wie die leichten Vertiefungen zwischen den Muskeln auf dem Rücken eines kräftigen Mannes.
    Dann sah sie die beiden Gruppen von Reitern, die sich in einem breiten Teil gegenüberstanden, und erkannte sie. Sie sah ihren Gemahl, groß und angespannt saß er regungslos auf seinem Pferd, mehr wie die schön geschnitzte Darstellung eines Kriegers als wie ein lebendiger Mann. Sie sah ihren Bruder, das goldene Haar silbrig, aufrecht, abwartend, so reglos wie Chay. Sie sah Andrade, deren bleiches Haar sich über ihren Rücken ergoss und die merkwürdig hilflos war, als sie eindringliche Worte sprach, die Rohan und Chay ignorierten. Es waren noch andere da, aber Tobin sah sie nicht an – denn der Sternenstrang zog sie über die Leere hin weiter zu Roelstra.
    Der Hoheprinz machte eine scharfe Bewegung, und eine schlanke junge Frau ritt vorwärts. Chay ritt ihr entgegen. Sie wechselten mit Mienen, die sie im Schatten nicht lesen konnte, Worte, die Tobin nicht hören konnte. Aber sie sah, dass ihr Gemahl zögernd nickte, und als sich die Frau aus ihrer abwartend gebückten Haltung aufrichtete, sah Tobin, dass es Pandsala war. Beide kehrten zu ihren Prinzen zurück, und Rohan und Roelstra stiegen ab.
    Verwirrt und

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