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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Tür erschien eine Gestalt, die von dem Feuer herbeigerufen worden war, das Sioned ins Mondlicht gewebt hatte. Das Bild schwankte, wurde deutlicher und war schließlich genau zu erkennen. Andrade ballte die Fäuste, als sie Roelstra erkannte. Jemand schrie.
    »Wer seid Ihr?«, wollte Sioned wissen, doch ihre Frage galt nicht dem Kellermeister, sondern dem unbekannten Faradhi , der ihn beherrschte. »Was habt Ihr sonst noch für Euren Herrn, den Hoheprinzen, gesehen? Sagt mir, was Ihr gegen meinen Herrn im Schilde führt, oder ich folge Euch bis zur Felsenburg und hülle Euch in Eure eigenen Schatten!«
    Das Bildnis des Hoheprinzen bewegte sich. Seine Lippen formten unhörbare Worte, seine Hände reckten sich empor, um unsichtbare Schultern zu packen. Der Kopf des Kellermeisters rollte im Einklang mit Roelstras Bewegungen hin und her, während der den fernen Faradhi schüttelte.
    »Sagt es mir!«
    Das Gesicht des Kellermeisters war jetzt eine Maske des Schreckens. »Ich schwöre bei meiner Seele …«
    »Ihr habt keine! Habt Ihr geplant, ihn zu töten? Sagt es mir!«
    »Nein! Nein, ich schwöre Euch …«
    »Hört mich an, Roelstra! Überbringt ihm meine Worte, Verräter! Sagt ihm, ich werde ihn und seine Toten aufsuchen, wenn er meinem Herrn auch nur ein Haar krümmt!«
    Andrade packte Rohans Arm, um ihn daran zu hindern, zu Sioned zu laufen. Wütend wirbelte er zu ihr herum. »Nein!«, zischte sie. »Lass sie!«
    Sioneds Augen waren wild, als sie sich ihrer Ringe würdig erwies, indem sie den anderen Faradhi in Angst und Schrecken stürzte und ihm mit grenzenlosen Schatten drohte. Doch es hatte zu lange gedauert; Andrade spürte die Spannung der Beschwörung, das Gewebe zerrte an ihrer eigenen Wahrnehmungskraft, und sie erkannte, dass Sioned nicht die Kraft besaß, noch lange weiterzumachen. Mit den Fähigkeiten, die nur eine Herrin oder ein Herr der Schule der Göttin beherrschte, sammelte Andrade eilig Lichtstränge; sie trennte und sortierte. Es war, als würde sie einen zarten seidenen Schleier entwirren, der aus tausend Farben bestand, jede aus Silber und Feuer, und sie dann zu dem einzigartigen Muster verweben, das Sioned war. Doch das Mädchen schüttelte sie ab. Sioneds Kraft war noch immer bemerkenswert, als sie darum kämpfte, die Verbindung zwischen sich selbst und dem Faradhi in der Felsenburg aufrechtzuerhalten. Fast alle Kraft, die Andrade aufbringen konnte, war nötig, um Sioned ihrem Willen zu unterwerfen.
    Ganz plötzlich wandte sich der Kellermeister um, und selbst auf die Entfernung zwischen ihnen konnte Andrade jemand anders aus seinen Augen blicken sehen. Bar jeder Hoffnung, vollkommen verzweifelt, schrie der Mann mit einer Stimme, die nicht die seine war: »Herrin – vergebt mir!« Sie schrak zurück vor dem flehenden Ton und versuchte, das Farbmuster zu finden, das den Lichtläufer identifizieren würde. Doch der Körper des Kellermeisters bog sich in einem entsetzlichen Krampf, und dann glitt er zu Boden, während Roelstras geisterhafte Finger den unsichtbaren Verräter losließen. Lichtwellen zogen sich um Andrade zusammen und zersplitterten dann in Farbfragmente hinter ihren Augen. Sie stöhnte und hielt mit beiden Händen ihren schmerzenden Kopf umklammert. Ein Nebel aus wirbelnden Farben verdeckte Roelstras Bildnis. Dann war alles verschwunden.
    »Warum habt Ihr mich zurückgehalten?«, ertönte Sioneds Stimme in wütender Anklage. Doch dann schwankte sie, und das Feuer des Smaragdrings verging endlich, als sie als formloser Haufen zu Boden sank. Während Rohan zu ihr lief, um sie in die Arme zu nehmen, hörte Andrade jemanden verzweifelt ihren Namen rufen. »Andrade! Andri, bitte, sieh mich an!«
    Mit schmerzenden Augen wandte sie sich zu ihrer Schwester um. Sie begriff sofort, dass Milar trotz der fehlenden Ausbildung den Rückstoß von Sioneds Macht aufgefangen hatte. Sie klammerte sich an den Arm ihrer Zwillingsschwester. »Milar – bring mich fort von hier. Ich darf keine Schwäche zeigen!«
    »Urival!«, rief Milar.
    Irgendwie gelang es ihr, sich zu beherrschen und aufrecht zu halten, während sie an Urivals Seite die Halle verließ. Doch kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, als sie hinfiel. Ohne weitere Zeremonie hob er sie hoch und trug sie nach oben in ihre Gemächer. Sie bemerkte nur am Rande, dass er sie zwischen weiche Kissen ins Bett legte.
    Nach langer Zeit erst öffnete sie die Augen. Urival saß neben ihr und wartete, und als sie ihn mit gerunzelter Stirn

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