Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute

lieber? Ich meine, liebst du ihn? Sag schon, liebst du ihn?«
    »Nein.«
    »Na los, raus mit der Sprache! Liebst du ihn, hä?«
    »Ich finde, was du getan hast, wa r …
    »Was?«
    »Ich finde, was du geta n …«
    »Was???«
    » … war s o … romantisch.«
    Zurückspulen, bitte. Als sie romantisch sagte, wäre ich fast gestorben. Es war, verflucht noch mal, ein verdammt romantischer Akt, dieses Zuhälterschwein abzuknallen, und Alabama hatte das sofort erkannt. Tee und Kekse neben mir lachten laut bei dieser Szene. Deppen. Sie verstanden einfach nicht, wie schön und echt und Liebe es war. True Romance eben. Wenn Tee dasselbe für Kekse tun würde, säße er wahrscheinlich fünf Minuten später im Bau. »Du darfst doch nicht einfach ein Menschenleben vernichten!«, würde sie sagen und die Bullen anrufen. Blöde Studenten.
    Was Clarence und Alabama nach dieser Szene noch alles erlebten, möchte ich hier nicht verraten. Von mir wird niemand erfahren, ob es ein Happy End gibt oder wer am Ende noch lebt. Nur so viel: Dieser Film ist nichts für zarte Gemüter. Er ist wild, er ist brutal und stellenweise schockierend. Und er ist wunderschön.
    Als der Abspann anfing, packten Tee und Kekse eilig zusammen und gingen. Ich blieb noch sitzen. Ich musste unbedingt noch wissen, wer dieses Drehbuch geschrieben hatte. Wer hatte Clarence und Alabama erfunden? Wer hatte sie diese wundervollen Sachen sagen lassen? Wer glaubte noch an die große, wahre Liebe? Quentin Tarantino war auf der Leinwand zu lesen. Tarantino? Nie gehört. Aber das würde sich in Zukunft bestimmt ändern. Hoffentlich würde er so weitermachen und sich selbst treu bleiben. Hoffentlich verliehen sie ihm nicht irgendeinen verdammten Filmpreis. Goldene Palme, Goldener Löwe, Goldener Schwachsinn. Verdammte Cineasten. Ständig vergaben sie lächerliche Preise an Filme, die nun wirklich kein Mensch braucht. Sex, Lügen und Video . Paris, Texas . So ein Bullshit. In diesen Filmen passierte nichts, absolut gar nichts. Die größte Verarschung, seit es den Papst gibt. Niemand verstand diese Filme, darum nannten sie es Kunst. Kunst ist lateinisch für Schwachsinn. Wenn mir einer ein Goldenes Etwas überreichen wollte, würde ich mich zu Tode schämen und ihm voll eins in die Fresse hauen. In dieser Situation wäre selbst ich dazu in der Lage. Quentin Tarantino. Ein Teufelskerl. Bitte so bleiben.

elf
    Es ist ein seltsames Gefühl, aus dem Kino zu kommen, wenn es draußen noch hell ist. Es ist so wie das Aufwachen nach einem Mittagsschlaf voller Träume. Zack! Peng! Bumm! Willkommen in der Realität. Eben noch ein fliegender Peter Pan und plötzlich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Es gibt nichts Schlimmeres.
    Tageslicht an sich ist schon schlimm genug. Man sollte es verbiete n – so wie Spiegel. Es macht einen genauso hässlich und real. Die wenigsten Leute schaffen es, bei Tageslicht schön auszusehen. So wie Kelly, zum Beispiel. Sie war immer wunderschön. Eine Million, dass sie auch frühmorgens gleich nach dem Aufwachen wunderschön war. Eine Million und mein Leben dazu.
    Kelly war nicht im Kino erschienen und hatte mir eine Packung Popcorn übergeschüttet. Kelly nicht, Alabama nicht und noch nicht einmal Rheinland-Pfalz. Jetzt, wo ich wieder draußen stand, auf der traurigen Zeil mit den kalten Menschen, fühlte ich, dass mir nie ein Mädchen Popcorn überschütten würde. Heute nicht und morgen nicht und niemals. Da war sie wieder, die Traurigkeit. Als hätte sie die ganze Zeit vor dem Kino auf mich gewartet, als hätte sie gewusst: Er muss da wieder rauskommen und dann schnapp ich ihn mir.
    »Verschwinde!«, sagte ich laut und bekam ein Grummeln als Antwort.
    Mein Magen.
    »Wer hat denn mit dir geredet?«, fuhr ich ihn an und eine vorübergehende Baseballmütze starrte mich an, als ob ich sie nicht mehr alle hätte. Wahrscheinlich lag er damit gar nicht so falsch. In der letzten Zeit waren diese Selbstgespräche immer häufiger geworden, wobei ich sie eigentlich nicht als richtige Selbstgespräche betrachtete. Ich redete nicht mit mir, sondern mit meinem Magen oder meinem Herzen oder meiner Hand, und das auch nur, wenn ich einigermaßen betrunken war. Mein Magen meldete sich erneut.
    »Na gut!«, sagte ich und sah ihn dabei auch noch an. »Du kriegst gleich was, aber sei jetzt still!«
    Richtig Ruhe gab er erst, als ich ihm versprochen hatte sofort in den nächsten McDonald’s zu gehen und ein paar automatische Waffen auf ihn abzufeuern.
    Der nächste