Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Mac wäre in der B-Ebene gewesen, aber ich schaffte es, meinen Magen abzulenken, sodass er nicht merkte, wie ich weiter zum Goetheplatz lief. Der Mac am Goetheplatz war schöner und nicht so versifft wie der in der B-Ebene.
»Zwei Hamburger, mittlere Pommes und ein Bier«, bestellte ich bei der marineblauen McDonald’s-Uniform.
Rekruten der schlechten Ernährung. Diese Leute arbeiteten für einen Hungerlohn und durften den übrig gebliebenen Fraß noch nicht einmal mit nach Hause nehmen. Alles, was bei Ladenschluss noch übrig war, wurde weggeschmissen, egal, wie frisch es noch war. Ich hatte in den letzten Sommerferien auch bei McDonald’s gearbeitet. Volle zwei Stunden. Dann warfen sie mich raus. Erstens, weil ich mich geweigert hatte diese verdammte Mütze aufzusetzen, und zweitens, weil sie mich dabei erwischten, wie ich einen heruntergefallenen Hamburger verschenken wollte. Der Hamburger war noch völlig okay in Papier eingewickelt und ich wollte nur diesen steinalten Haste-mal-’ne-Mark-Typ loswerden, weil er stank wie ein drei Tage alter Putzeimer voll Kotze. Sie schmissen mich kurzerhand raus und es dauerte vier Wochen, bis ich endlich meine sauerverdienten 2 0 Mark Sold bekam.
»Zum Mitnehmen oder Hieressen?«, fragte die Uniform protokollarisch.
Ich schaute, ob in der Raucherecke noch etwas frei war.
»Hieressen, bitte«, sagte ich.
Der Raucherbereich in diesem Mac war ein Witz. Zwei Vierertische, das war’s. Einer davon war frei und ich setzte mich dorthin. Mein Magen brüllte jetzt förmlich und ich konnte mich gerade so beherrschen, ihn nicht laut um Ruhe zu bitten.
An dem Rauchertisch neben mir saß ein Mittzwanziger mit einer Baseballmütze, Fanta, und schlürfte Kaffee. Seiner Kleidung nach zu urteilen muss er blind gewesen sein, aber da er in einer Zeitschrift blätterte, war wohl mit seinen Augen alles in Ordnung.
Er trug ein blau-weiß längs gestreiftes Hemd, das in eine knallrote Jeans gesteckt war, die von grünen Hosenträgern gehalten wurde. Die Jeans hatte Hochwasser und gab freien Ausblick auf ein Paar Tennissocken, die in braunen College-Schuhen steckten. Auf jeder Socke war ein kleines Wappen, in dem No . 1 stand. Wenn das seinen Platz in der Weltrangliste des schlechten Geschmacks bezeichnen sollte, war es durchaus passend. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der alle diese Klamotten von verschiedenen blinden Verwandten zu Weihnachten bekommen hatte und von seiner Mutter gezwungen wurde, alles auf einmal anzuziehen.
Er war sehr nervös. Ständig klappte er die Zeitschrift auf und zu und schob sie auf dem Tisch herum. Jede halbe Minute sah er auf die Uhr und zupfte an seinem Kragen oder seinen Haaren herum. Anscheinend wartete er auf jemanden. Wenn es ein Mädchen war, dann würde es vor Schreck tot umfallen oder auf der Stelle blind werden.
Es war tatsächlich ein Mädchen, auf das er wartete. Ich packte gerade meinen zweiten Hamburger aus, als sie zur Tür hereinkam. Sie hatte die gleiche Zeitschrift dabei wie er, und auch sie schien sehr nervös zu sein. Sie lief zuerst in die Nichtraucherabteilung und sah sich unauffällig jeden allein sitzenden männlichen Gast an. Als sie dort nicht fand, wonach sie offensichtlich suchte, kam sie in unsere Richtung. Zuerst musterte sie mich und dann No . 1, der seine Zeitschrift mittlerweile unter dem Tisch versteckt hielt. Das Mädchen schüttelte traurig den Kopf und ging auf den Ausgang zu.
»Hallo!«, rief No . 1 plötzlich und wedelte mit seiner Zeitschrift. »Ich bin hier.«
Das Mädchen drehte sich um und ging langsam auf ihn zu.
»Bist du Thomas?«, fragte sie. »Die witzige Waage?«
»Ja. Und du musst Anja sein. Der lustige Löwe.«
»Stimmt. Hallo. Schön, dich kennenzulernen.«
»Setz dich doch!«, sagte er und gab ihr die Hand zur Begrüßung, ohne dabei aufzustehen.
Als sie »witzige Waage« sagte, wäre mir fast der Hamburger im Hals stecken geblieben. Ich war Zeuge eines Blind Dates, arrangiert durch eine dieser bescheuerten Kontaktanzeigen. Wer von den beiden hatte sie wohl aufgegeben und wie hatte sie gelautet? Big Mac sucht Apfeltasche? Ich tippte darauf, dass er die Anzeige aufgegeben hatte. Zumindest schien er es nötiger zu haben als si e – so wie er angezogen war. Das Mädchen war recht hübsch. Nichts Außergewöhnliches, aber sie hatte ein süßes Lächeln und eine nette Stimme. Es müsste ein Leichtes für sie gewesen sein, einen Freund zu kriegen, aber wahrscheinlich war sie sehr anspruchsvoll. Die
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