Sonnenschein oder wie mir das Leben den Tag versaute
Mädchen, die selbst Kontaktanzeigen aufgaben, waren es jedenfalls. Unverschämt anspruchsvoll, für meine Begriffe.
Suche netten, humorvollen, selbstbewussten, reichen, liebevollen Nichtraucher zwischen 25 und 26. Wenn du mindestens 1,8 7 m groß bist, viel Sport treibst und kein Bier trinkst, melde dich bitte unter Chiffre soundso.
Diese Mädchen suchten keinen Mann, sie suchten Tom Cruise mit hohen Absätzen.
»Ich dachte erst, du kommst nicht«, sagte das Mädchen. »Warum hast du unser Erkennungszeichen zuerst versteckt?«
»Ach weißt du, das war keine Absicht. Es war mir gerade runtergefallen.«
Dieser dreckige Lügner. Von wegen runtergefallen. Er wollte sie sich erst einmal angucken, und wenn sie hässlich gewesen wäre, hätte er sich einfach verpisst. Dieser verlogene Mistkerl. Hoffentlich fiel sie nicht darauf herein. »Machst du so was zum ersten Mal?«, fragte er.
»Was meinst du?«
»Ich meine, hast du schon öfter auf eine Kontaktanzeige geantwortet?«
»Nein, noch nie. Bis vor drei Monaten hatte ich noch einen Freund. Sechs Jahre waren wir zusammen und dann hat er mich einfach von heute auf morgen sitzen lassen.«
»Das kenn ich.«
Oh nein, No . 1 war einer von diesen Das-kenn-ich-Menschen! Immer wenn man ihnen etwas erzählen will, unterbrechen sie einen mit diesem Das-kenn-ich und reden nur noch über sich selbst. Sie interessieren sich null für die Probleme ihres Gegenübers. In so einem Gespräch kam ich mir immer vor wie eine Souffleuse am Theater. Gib ihnen ein Stichwort und sie plappern los.
»Ich war fünf Jahre mit meiner Freundin zusammen«, sagte er. »Wir waren sogar schon verlobt. Zwei Monate vor unserer geplanten Hochzeit, am 14 . März letztes Jahr, sagte sie, sie könne mich nicht heiraten. Ich fragte sie warum, und dann kam der Hammer. Sie wäre lesbisch, sagte sie. Kannst du dir das vorstellen? Fünf Jahre lief alles glatt und dann kommt sie an und sagt, sie wäre auf einmal lesbisch. So was weiß man doch vorher, oder? Eine Arbeitskollegin hätte ihr die Augen geöffnet, auf einem Betriebsausflug nach Köln. Ich konnte es einfach nicht verstehen.«
Ich schon. Ich fand es sogar sehr verständlich. Nach fünf Jahren mit No . 1 würde wahrscheinlich jedes Mädchen lesbisch werden. Lesbisch und blind.
»Warum hast du eigentlich gerade mich ausgesucht? Für ein Treffen, meine ich«, fragte das Mädchen.
»Na ja, dein Brief hat mir besonders gut gefallen. Deine Handschrift lässt auf eine starke Persönlichkeit schließen.«
Wieder gelogen. Ich sah es genau an seinen Augen. Wahrscheinlich hatte er nur diese eine Antwort auf seine Scheißanzeige gekriegt.
»Kennst du dich mit Handschriften aus?«, fragte das Mädchen.
»Ich muss mich auskennen. Schon rein beruflich.«
Jetzt war ich wirklich gespannt. Was war er wohl? Postbote?
»Bist du Schriftforscher oder so was Ähnliches?«, fragte sie für mich.
»Nein, nein. Nichts dergleichen. Ich arbeite als Privatdetektiv.«
Ja genau, Privatdetektiv! Einer, der so auffällig angezogen war, dass man ihn nachts in einem Tunnel auf drei Kilometer Entfernung noch erkennen würde, konnte ja nur Privatdetektiv sein. Jetzt musste sie aber merken, dass er log.
»Wirklich? Privatdetektiv?«, staunte sie. »Das muss ja aufregend sein!«
»Und manchmal auch gefährlich«, sagte No . 1 verheißungsvoll. »Letzte Woche wurde sogar auf mich geschossen, aber der Kerl war ein lausiger Schütze.«
Ich würde ihn treffen, dachte ich. Nachts in einem Tunnel auf drei Kilometer Entfernung mitten zwischen die Augen. Mit einem Trommelrevolver, natürlich. Diese superbillige Philip-Marlowe-Kopie im Clownskostüm.
»Hast du von der Schießerei im Bahnhofsviertel gehört?«, fuhr er fort. »Ich war dabei. Ich hab diesen dreckigen Dealer am Bein erwischt. Der Schuss ging glatt durch die Wade.«
Jetzt war es so weit. Ich konnte nicht mehr. Den letzten Bissen Hamburger ausspuckend lachte ich los.
No . 1 schaute böse zu mir herüber.
»Hast du ein Problem?«, fragte er mich.
Bestimmt würde er gleich seine Walter PPK ziehen und mir durch die Wade schießen, stellte ich mir vor. Man konnte nie wissen.
»Nein, nein«, sagte ich und fing an zu husten. »Hab mich nur verschluckt. ’tschuldigung.«
»Widerlich«, sagte No . 1 und drehte sich wieder dem Mädchen zu. »Kein Anstand, diese jungen Hüpfer. Hast du Lust, woandershin zu gehen?«
»Ich weiß nicht. Wohin denn?«
Geh nicht mit ihm, wollte ich zu ihr sagen. Geh nach Hause und schließ
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