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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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dass der Körper gefällig war, wenn auch etwas länger und busenloser, als ich mir gewünscht hätte. Er ruhte auf etwas zu kurzen Beinen, die nicht ganz gerade waren. Trotzdem machte mir mein Körper keine Schande, und ich schämte mich auch nicht.
    Als ich aus dem Wasser kam, sah ich mich in demselben Spiegel im Badeanzug. Er hatte keine Farbe, noch nicht einmal Grau oder Beige, sondern etwas Unkenntliches, die fleischgewordene Farblosigkeit. Vielleicht hatte er irgendwann einmal irgendeine Farbe gehabt, aber damit war es längst vorbei. Ich besaß ihn seit meinem zehnten Lebensjahr. Von Elastik konnte an diesem Stofffetzen keine Rede mehr sein, er hing wie ein Sack an mir herunter, und der eine Träger hatte ein kleines Loch.
    Ich widmete mich eine Weile diesem Anblick und befand, dass dieser Badeanzug meines Körpers nicht würdig war. Drei ganze Tage hintereinander dachte ich über diesen Badeanzug nach, bis ich plötzlich die Wut bekam und aus meinem Zimmer in die Waschküche stürmte, ihn von der Leine riss, an der er seit dem letzten Schwimmbadbesuch immer noch hing, und ihn mit einer ganzen Zeitung in dem großen Stahlbecken in der Waschküche anzündete. Ich stocherte mit einem Fischheber darin herum und sang gehässig:
Olles Ding/Olles Ding/leck mich und verbrenne
.
    Aber das olle Ding wollte nicht einmal richtig brennen, sondern schmurgelte unter entsetzlichem Gestank, der an Karbid erinnerte, vor sich hin. Zum Schluss sah er aus wie ein Stück schwarzverbrannte Menschenhaut.
    Als Harald nach Hause kam und sich über Brandgeruch beschwerte (der Geruchssinn funktionierte meistens bei Dem Ehepaar), erklärte ich, ich hätte einen Geheimbrief in derWaschküche verbrannt. Damit gab er sich wie selbstverständlich zufrieden.
    Ich sagte, dass mein Badeanzug völlig zerfetzt sei. Ich bräuchte einen neuen, und der würde soundso viel kosten. Es war eine beträchtliche Summe, aber Harald zuckte nicht mit der Wimper, sondern ging zu seinem Schreibtisch und holte das Geld heraus.
    Die nächsten Tage verbrachte ich in Geschäften und probierte Badeanzüge an. Ich notierte mir Kurzbeschreibungen von denen, die in Frage kamen. Es waren neun, doch insgesamt probierte ich dreiundzwanzig an. Man bediente mich in allen Geschäften gut, obwohl ich endlos anprobierte, nicht selten zweimal, und deswegen wurde ich mancherorts sicher als ungewöhnliche Kundin eingestuft, beispielsweise in Báras Konfektionsgeschäft. Dort endete es aber damit, dass ich den türkisblauen Badeanzug mit zwei Goldfischen auf dem Bauch erstand.
    Das nächste Mal, als wir schwimmen gingen, warst du so rücksichtsvoll, meinen neuen Badeanzug mit keiner Silbe zu erwähnen, denn damit hättest du gleichzeitig die Erinnerung an das olle Ding heraufbeschworen, das meinen Körper beleidigt hatte.
    Ein türkisblauer Badeanzug mit zwei Goldfischen auf dem Bauch existiert immer noch.

Neun meiner Jahre in Kopenhagen gingen zu Ende. Sie hatten nicht schlecht angefangen, und wer weiß, ob ich in dieser Zeit nicht tatsächlich etwas empfand, was mit dem Glück aus Erwachsenenbüchern entfernt verwandt war.
    Meine ersten Monate in Kopenhagen waren September, Oktober. Erleichterung schwebte über mir in diesen milden und schönen Tagen, sie hatte aber nichts mit dem luftigen Glücksrausch auf den Winter- und Frühlingsspaziergängen mit dem Liebsten in Reykjavík zu tun, sondern es war eine konkrete Erleichterung.
    Jetzt trennte das Meer Ragnhild und mich, und ich durfte eine neue Sprache sprechen. In Dänisch war ich schon immer gut gewesen, sogar in der Aussprache, und hatte dafür auf dem Frauengymnasium einen Preis bekommen. Es war kein Problem für mich, in Kopenhagen mit verständlicher Aussprache Kartoffeln zu kaufen, gleich vom ersten Tag an. Ich war geradezu stolz auf mich.
    Spätsommer und Herbst in der Hauptstadt der Gemütlichkeit, mit Unnur an meiner Seite und Ása in der Sportkarre schlenderte ich durch die Stadt. Das war, bevor ich anfing zu arbeiten, und ich vertrieb mir die Zeit in der Wohnung im dritten Stock in Christianshavn, saß auf dem Balkon mit Aussicht auf dänische Bäume und deren Herbstfarben, die anders melancholisch sind als die isländischen – und war plötzlich so optimistisch, dass ich nichts dagegen hatte, bei dem schönen Wetter mit zwei Töchtern und Mann weiterzuwurschteln.
    Ich wurde so erfinderisch, dass ich mich intensiv beäugtewie jemanden, der auf einen Magic Mushroom gestoßen ist oder sich LSD reingezogen hat.

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