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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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Nicht nur dass ich mir einen hübschen Morgenmantel kaufte, ich ließ mir auch Themen für Wohnzimmergespräche mit dem Ehemann einfallen, wenn Unnur und Ása eingeschlafen waren. Zu meinem Erstaunen konnte man mit ihm über mehr Dinge reden als nur über unsere Töchter und die Einkaufsliste. Aus dem, wie er über seine Eltern und Freunde sprach, hörte ich heraus, dass er ein anständiger Mann war, und emotionaler, als es den Anschein gehabt hatte. Zudem hatte er Humor, wenn man genau hinsah.
    Meine Gesprächsthemen drehten sich hauptsächlich um die Spaziergänge mit Unnur und Ása und die Stadt mit der Glyptothek und den Thorvaldsen-Skulpturen und den Menschen, die immer einen Scherz auf den Lippen hatten, wenn man sich ein Würstchen oder eine Zeitung kaufte. Und das Wunder geschah, die Spaziergänge kräftigten mich, und die Farblosigkeit in Wangen und Haar wich für eine Weile einem Hauch von Sonnenbräune.

    Mummi besuchte mich mindestens dreimal im Jahr, solange ich in Kopenhagen war, und manchmal hatte er einen Liebhaber dabei. Obwohl sie alle einen ganz netten Eindruck machten, war Stanko aus Montenegro mein Favorit – nach eigenen Aussagen ein Prinz – und aus meiner Sicht der Traumprinz für Mummi, dieser Ausbund an Männlichkeit, bei dem sich Überheblichkeit mit enormer Liebenswürdigkeit und Humor mischte. Ich hoffte immer, Mummi und er würden ein Paar werden. Als ich das rundheraus sagte, schlug Stanko die Hände über dem Kopf zusammen und erklärte, er könne nicht für das Schicksal entscheiden, das Schicksal müsse selber entscheiden.
    Wollte ich behaupten, ich sei in einen Mann verliebt gewesen,dann war ich beinahe ein kleines bisschen verliebt in Stanko (was so idiotisch war, dass ich mir nicht einmal die Mühe machte, mich zu schämen, der Liebhaber meines Bruders, trallala). Es ging aber immerhin so tief, dass ich ein gewisses Interesse an dieser Spezies bekam, dem Original-Macho vom Balkan. Dass es ein genialer Schachzug sein könnte, nähere Bekannschaft mit einem solchen Mann zu schließen. Aber wo ihn finden, und wozu sollte ich mich auf so etwas einlassen, ich, die Schlaflose mit den ewigen Nachtschichten. Nein, wenn ich mir einen Liebhaber zulegen wollte, müsste es ein ziemlicher Waschlappen sein. Und weswegen sich so etwas antun?

    Als Unnur und Ása endlich groß genug waren, leisteten ihr Vater und ich uns den Luxus einer Scheidung. Da hatte er ein Auge auf eine Frau geworfen, die genauso extrem farblos war wie ich. Die Töchter moserten zwar wegen der Scheidung, wie Kinder es zu tun pflegen, aber ihr Papa und ich redeten ihnen in dem sozialpädogisch-erklärenden Stil zu, den wir uns in Dänemark angeeignet hatten.
    Aber wie man die Sache auch anging, Unnur und Ása fanden sich nie damit ab, dass ich nach Island zurückkehrte, solange sie noch in Kopenhagen zur Schule gingen. Mir tat das zwar einigermaßen leid, ich konnte aber trotzdem keine nennenswerten Gewissensbisse heraufbeschwören. In Wahrheit war es zu diesem Zeitpunkt auch nicht schlechter für sie, bei ihrem Vater zu sein statt bei ihrer Mutter.

    Niemand befahl mir, nach Island zu gehen, und schon gar nicht in die Sjafnargata. Ich hätte hinziehen können, wo ich wollte, am liebsten aber in arme und kriegsgeplagte Länder, wo ich hätte Gutes tun können. Irgendwann einmal hatte ich das auch vorgehabt.
    In Kopenhagen wollte ich nicht mehr leben, nicht am Schauplatz dieser Ehe, in der wir ausgeharrt hatten wie in schier endlosen Wintermonaten. Versucht hatten, das Beste aus anhaltender ehelicher Langeweile zu machen, weil wir gemeinsam zwei Prachtstücke und Augäpfel besaßen.
    Wäre ich nicht das Sjafnargatakind, das ich bin, hätte ich ein schlechtes Gewissen, dass dieser Mann dummerweise auf mich hereinfiel. Die Initiative ging von ihm aus, und deswegen kann er sich selber die Schuld daran geben, aber – alles, was recht ist – wem wäre es eingefallen, dass eine Farblose wie ich nur Steine statt Brot zu geben hatte. Von einer Farblosen könnte man Opferbereitschaft und Nettigkeit erwarten, doch von Opfern konnte keine Rede sein, und noch weniger von Nettigkeit. Der Mann hatte nicht einmal das Glück, purer Garstigkeit ausgesetzt zu sein. Darauf hätte er wenigstens reagieren können.

    Und das Leben geht seinen Gang und verstreicht, während wir endlos darauf warten, dass es irgendwie wieder von vorn anfängt. Sogar Menschen wie ich warten immer auf etwas. Vielleicht besonders Menschen wie ich. Wer, wenn nicht

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