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Sonnenscheinpferd

Sonnenscheinpferd

Titel: Sonnenscheinpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steinunn Sigurðardóttir
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Geliebten in Fljótshlíð, der sie dort mit Kaffee erwarten würde (nicht sicher, wohl noch gar nicht aufgewacht), aber er würde mich mit gut gewählten und reichlichen und sehr willkommenen Liebkosungen erwarten, die speziell dazu dienten, das Leben wieder zusammenzufügen. Nur sie taugten dazu, aus dieser zersplitterten Farblosigkeit ein ganzes Leben mit echten Farben zu machen. Das war eine mehr als oft bewiesene Tatsache.
    Entschädigungen standen jetzt nicht mehr auf dem Programm, was für ein widerliches Wort,
Entschädigungen
, und viel zu üblich im Leben, nein, jetzt würde man das zu fassen bekommen, was sein sollte, von jetzt an würde man die Poesie zum Leben machen, Schluss mit dem Herumhängen in der bitterkalt-feuchten Entschädigungszone zwischen Poesie und Leben.

    Der Junge ging mir vor allem durch den Kopf, als ich durch das stürmische Mailicht stob, bevor andere auf den Beinen waren, um sich davon bescheinen zu lassen. Ein überaus heller Glanz war in den frischen Blättern der vorbeisausenden Baumäste im Park an der Miklabraut, der früher Klambratún hieß, als wir in der alten Zeit zusammen spazierten, bei Sonne und Wind genau wie jetzt, bei allen Wettern, rieselndem Schnee, Nebel …

    Ich hatte diesen schlaksigen, schönäugigen Jungen, der dir glich, nie aus dem Blick verloren. Hätte ich sortieren und stapeln müssen, wonach ich mich sehnte, wäre dieser Junge wohl zuoberst gelandet. Und Gott oder jemand anders hatte dafür gesorgt, dass es immer noch möglich war, den betreffenden Jungen zu bekommen. Im Übrigen mochte Gott wissen, ob du auch Interesse an diesem Jungen hättest. Das würde sich vielleicht nachher in Fljótshlíð herausstellen, im Lauf des Morgens, an diesem Samstag.

    So viel steht fest, du hast den Abschnitt aus dem Fischkonzert gleich zu Beginn der neuen Zeit zitiert:

    Ich habe oft gedacht, wie gut der Erlöser gewesen ist, mich zu diesem Mann zu schicken, damit er mein Schutz und Beistand sei, und ich beschloss, bei ihm zu bleiben, solange er lebte, und immer im Spätwinter Seehasen mit ihm zu fangen. Und hoffentlich würde Gott es so einrichten, dass er mir erhalten bliebe, bis ich selber in sein Alter gekommen war; dann wollte ich irgendwo einen kleinen Jungen finden, um mit ihm auszurudern und die Netze zu inspizieren, während die Sterne des Winters noch hell strahlten.

    Das Seltsame war, dass ich deinen und meinen Jungen nicht direkt mit dem in Verbindung bringen konnte, was erforderlich war, um ihn zustande zu bringen, und ich muss gestehen, dass mir bei dem Gedanken daran schwach wurde. Gleichzeitig war ich aber auch glücklich auf dem Weg zu dir, als ich da in aller Herrgottsfrühe über die Berge fuhr.
    Ich kannte es noch aus der Zeit, als wir in jenem Frühjahr zusammen jung waren, dass Glück und Kraftlosigkeit sich mir in einem verrückten Kuddelmuddel um den Kopf schnürten. Jetzt musste ich mich schwer zusammenreißen, um einen spritzigen Mazda die ganze Strecke bis zum Anlassder Freude zu steuern, in der Hoffnung, die Fäden des Lebens zusammenzuknüpfen, so lose und zusammenhanglos, wie dieses Leben war; aus den Fäden ein zuverlässiges Band mit lockerem Knoten um meine Taille zu flechten, so wie du deine jugendlichen Arme um meine Taille geschlungen hattest, die einzigen Male im Leben, in denen ich existierte. (Na ja, vielleicht existierte ich ja auch, als meine Töchter klein waren, aber das war anders.)
    Und die Besorgnisse begleiteten Glück und Hoffnung auf dem Weg zu dir in den Süden über die Berge. Ich tröstete mich damit, dass es gemäß dem Gedicht von Sigfús Daðason nicht anders sein könnte. Sie verfolgen einen bis in den Tod, sagt er,
wunderbar gelenkig, hoch gewachsen, rank
.
    Die Besorgnisse drehten sich vor allem um unsere festgelegten Reykjavík-Liebkosungen und ob es gelänge, in Anbetracht anderer Lokalität und Zeit an ihnen zu rühren. Diese exorbitanten Besorgnisse waren auch nicht zu mildern, indem man sich streng auf die Brüste hinwies, die keineswegs erschlafft waren, sondern so aussahen, als hätte ein Bildhauer sie auf den Sockel des Brustkorbs gegossen, so hoch über der Taille, dass es die Wirkung der Skulptur optimierte.
    Während die Sonne höher stieg und das Moos genau so beleuchtete, wie ich mir in dem hellgrünen Moosgedicht vorgestellt hatte, vermied ich es, weiter über deine Einstellung zu Liebkosungen nach Erwachsenenart nachzudenken. Philosophie ist nicht meine starke Seite, ich dachte trotzdem an den

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