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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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beobachten.
    Sie waren Augen.

 
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ERSTGEBOREN
     
     
    Das lange Warten ging zu Ende.
    Diejenigen, die die Erde so lang beobachtet hatten, waren
nicht entfernt menschlich gewesen. Aber sie hatten früher
auch einmal aus Fleisch und Blut bestanden.
    Sie waren auf einem Planeten eines der ersten Sterne
überhaupt geboren worden, eines brüllenden feisten
Wasserstoff-Ungeheuers, einem Leuchtfeuer in einem noch dunklen
Universum. Diese Ersten in einem jungen und energiereichen
Universum waren überaus neugierig. Aber Planeten, die
Schmelztiegel des Lebens, waren noch knapp, denn die schweren
Elemente, unerlässlich für den Aufbau von Organismen,
mussten erst in größerem Maßstab in den Herzen
von Sternen synthetisiert werden. Als sie den Blick durch die
Tiefen des Raums schweifen ließen, sahen sie nichts
außer sich selbst – kein Bewusstsein, in dem sie sich
widerspiegelten. Die Erstgeborenen waren allein.
    Und dann wurden sie vom Universum selbst verraten.
    Die frühen Sterne loderten imposant auf, erloschen aber
auch schnell wieder. Ihr dünner Schutt reicherte die in der
Galaxis gesammelten Gase an, und bald sollte eine Generation
langlebiger Sterne erscheinen. Doch die Erstgeborenen, die
zwischen den sterbenden Proto-Sonnen gestrandet waren,
fühlten sich im Stich gelassen und so schrecklich
allein.
    Es gab ein Zeitalter des Wahnsinns, der Kriege und der
Vernichtung. Es endete in völliger Erschöpfung.
Betrübt, aber klüger geworden arrangierten die
Überlebenden sich mit dem Unvermeidlichen: mit einer kalten
und finsteren Zukunft.
     
    Das Universum ist mit Energie geschwängert. Zum
großen Teil befindet sie sich jedoch im Gleichgewicht. Im
Gleichgewicht vermag Energie nicht zu fließen und deshalb
auch keine Arbeit zu verrichten; genauso wenig, wie ein stiller
Teich ein Wasserrad anzutreiben vermag. Es ist der Fluss der
nicht im Gleichgewicht befindlichen Energie – der kleine
Bruchteil der ›nützlichen‹ Energie, die manche
menschliche Wissenschaftler ›Exergie‹ nennen
–, von der das Leben abhängt. Also hängt das
ganze Leben auf der Erde von einem Energiefluss von der Sonne
oder vom Kern des Planeten ab.
    Als die Ersten jedoch nach vorn schauten, sahen sie nur eine
langsame Verdunklung, denn jede Generation von Sternen wurde
unter immer größeren Wehen aus den Ruinen der vorigen
geboren. Schließlich würde der Tag kommen, wo es nicht
mehr genug Brennstoff in der Milchstraße gab, um auch nur
einen einzigen neuen Stern zu erschaffen. Und selbst dann
würde es weitergehen mit der Erschöpfung von Exergie in
all ihren Formen, bis die unerbittliche Entropie den Kosmos und
all seine Prozesse strangulierte.
    Den Erstgeborenen wurde bewusst, dass, wenn Leben auf
sehr lange Sicht überdauern sollte – wenn auch nur ein
einziger Strang des Bewusstseins in die entfernteste Zukunft
weitergegeben werden sollte –, Disziplin in einem
kosmischen Maßstab nötig war. Es durfte keine
unnötige Störung erfolgen, keine Energie vergeudet
werden, keine Turbulenzen im Strom der Zeit geben. Leben: Es gab
nichts Wertvolleres für die Erstgeborenen. Aber es
musste die richtige Art Leben sein. Ordentliches Leben.
    Unglücklicherweise war das selten.
    Überall trieb die Evolution den Fortschritt des Lebens zu
immer komplizierteren Formen – was eine immer stärkere
Abschöpfung des verfügbaren Energieflusses zur Folge
hatte. Auf der Erde hatten Krustentiere und Mollusken, die
früh in der Geschichte des Lebens auf den Plan traten, einen
vier- bis fünfmal so langsamen Metabolismus wie Vögel
oder Säugetiere, die viel später erschienen. Es war ein
Konkurrenzkampf; je schneller man von der freien Energie Gebrauch
machen konnte, die einen umströmte, desto besser.
    Und dann gab es Intelligenz. Auf der Erde lernten die Menschen
schnell, die Tiere um sie herum zu fangen und sich die Kraft von
Flüssen und der Winde zunutze zu machen. Bald würden
die Menschen fossile Brennstoffe ausgraben und die chemische
Energie nutzen, die über Millionen sonnenreicher Jahre in
Wäldern und Sümpfen gespeichert worden war. Dann
würden sie den Atomen das Herz herausreißen, die
Energie des Vakuums anzapfen und so weiter. Es war, als ob der
menschlichen Zivilisation nichts anderes einfiel, als
möglichst viel Exergie zu verbrauchen. Wenn das so
weiterging, würden die Menschen schließlich einen
wesentlichen Teil des Exergiereservoirs der gesamten Galaxis

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