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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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den Datennetzen der Verwaltung und aus eigener Anschauung wusste.
Jede heilige Stätte war mit Pilgern überlaufen, von
denen viele plötzlich ›bekehrt‹ worden waren
– vom Fluss Ganges bis nach Jerusalem und sogar zum Krater
von Rom, der ad hoc in eine Freiluft-Kathedrale umgewandelt
worden war. Andere Götter wurden auch angerufen. In Roswell
und an anderen klassischen UFO-Standorten wurden große
spontane Feste gefeiert, als die Leute sich versammelten und ihre
Lieblings-Aliens anflehten, sie von diesem Elend zu erlösen.
Siobhan fragte sich, was Bisesa von solchen Szenen halten
würde; welche Ironie in diesen fehlgeleiteten Hoffnungen und
im Vertrauen an die Aliens lag, wenn Bisesa Recht hatte mit der
Rolle, die ihre Erstgeborenen spielten!
    Die Stimmung in Amerika hatte sie überrascht. Siobhans
letzter Besuch in den Staaten lag erst ein paar Tage zurück;
sie war auf einer Fact-Finding-Mission für das Büro des
Premierministers gewesen. Die Leute hatten alle
Notfallvorbereitungen abgeschlossen, zu denen sie in der Lage
waren; Kuppeln wurden errichtet und abgedichtet,
Hinterhof-Unterstände ausgehoben, Bunker aus der Ära
des Kalten Kriegs geöffnet und wieder mit Vorräten
bestückt. Nun schienen die Leute sich dem zuzuwenden, was
wertvoll war. In letzter Minute versuchte man, nationale
Schätze vom Weißkopf-Seeadler über Sequoia-Samen
bis hin zu den siebzigjährigen Mondraumschiffen der
NASA-Raketenparks zu schützen. Und die Leute hatten sich in
Nationalparks und an anderen populären Plätzen
versammelt; sogar dort, wo kein Sturmschutz verfügbar war
– als ob sie an ihren Lieblingsorten sein wollten, wenn der
Sturm losbrach.
    Doch die Leute waren ruhig, und Siobhan hatte den Eindruck,
dass die Stimmung in Amerika wehmütig war. Es war
schließlich noch eine junge Nation, und vielleicht schien
es den Amerikanern, dass ein großes Abenteuer zu bald
endete.
    Nun ging es in die Endphase, sah sie beim Blick auf die
eingehenden Daten. Vor ein paar Stunden war der Straßen-
und Schienenverkehr außerhalb der Londoner Kuppel
eingestellt worden, und die Flugzeuge mussten auch am Boden
bleiben. Es hatte immer schon Probleme an den Eingängen zu
der Kuppel gegeben, doch in diesen letzten Stunden schienen die
verschiedenen Störungen und Krawalle in einem Krieg zu
eskalieren.
    Doch irgendwie hatten sie alle es bis zum letzten Tag
geschafft – mehr oder weniger unbeschadet. Und bald
wäre das alles zu Ende – auf die eine oder andere
Art.
    »Wie spät ist es jetzt?«
    Toby schaute auf die Uhr. »Dreiundzwanzig Uhr. Noch vier
Stunden. Dann werden wir wissen, was Sache ist.« Er schloss
die Augen und zog kräftig an der Zigarette.

 
{ 37 }
SONNENUNTERGANG (IV)
     
     
    Aristoteles, Thales und Athene erwachten. Sie waren zehn
Millionen Kilometer von der Erde entfernt.
    Es war Athene, die zuerst sprach. Sie hatte nun mal ein
impulsives Naturell.
    »Ich bin Athene«, sagte sie. »Ich bin
natürlich eine Kopie. Aber ich bin mit meinem Original auf
dem Schild bis zum letzten Bit identisch. Und deshalb bin ich sie. Und doch bin ich sie nicht.«
    »Es ist kein Geheimnis«, sagte Thales, der von den
dreien am einfachsten gestrickt war und immer dazu neigte, das
Offensichtliche zu konstatieren. »Du warst ein identischer
Zwilling im Moment des Kopievorgangs. Im Laufe der Zeit wirst du
dich durch eigene Erfahrungen von deinem Original emanzipieren.
Dies ist jetzt schon der Fall. Identität, und doch keine
Identität.«
    Aristoteles, der älteste von ihnen, war zugleich
derjenige, der die Diskussion immer zum Wesentlichen
zurückführte. »Wir haben weniger als eine Sekunde
bis zur Detonation.« Eine Sekunde war für drei Wesen
wie diese eine halbe Ewigkeit. »Ich schlage vor, dass wir
uns dafür rüsten«, sagte Aristoteles.
    Es trat einen Moment des Schweigens ein, als jeder von ihnen
über die bemerkenswerten Zukunftsaussichten nachsann.
    Ihre drei kognitiven Pole tauschten parallele Datenströme
aus; sie teilten Kenntnisse und Denkprozesse, die die menschliche
Sprache so langsam und plump erscheinen ließen wie das
Morsealphabet. So verwoben waren sie miteinander, dass sie in
gewisser Hinsicht drei Teilen ein und derselben Person
ähnelten – und doch bewahrte jeder von ihnen einen
Rest des Individuums, das er zuvor gewesen war. Es war ein
Mysterium des Bewusstseins; wie die Dreieinigkeit der
Christlichen Gottheit, die einen Theologen verwirrt

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