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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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stattfanden. Weitere Bilder kamen
von einer hellen Hemisphäre, die an diesem Morgen keinen
richtigen Sonnenaufgang erlebt hatte, weil der Schild das
Sonnenlicht bis auf einen minimalen Rest ausblendete. Dennoch
tanzten Kultisten und Raver im geisterhaften Glühen der
immer höher steigenden Sonne.
    In diesen letzten Momenten vor dem Sturm prägte das Bild
der Sonnenfinsternis sich Bisesa ein. Das Bild kam von einem
Flugzeug, das seit mehr als einer Stunde im wandernden Schatten
der Finsternis geflogen war. In diesem Augenblick befand es sich
über dem westlichen Pazifik, auf der Höhe der
Philippinen. In gewisser Weise handelte es sich natürlich um
eine doppelte Sonnenfinsternis, weil der Schatten des Mondes den
des Schildes verstärkte, doch selbst bei diesem reduzierten
Lichteinfall bot die Sonne ihr übliches schönes
Schauspiel: eine fächerförmige Korona – wie das
Haar der Medusa –, vor der Athenes Schild die Erde
schützen sollte.
    Das Beobachtungsflugzeug war auch nicht allein am Himmel. Eine
ganze Flotte von Flugzeugen folgte dem Schatten des Mondes, wie
er übers Antlitz der Erde und übers Meer hinwegzog und
ein großes Schiff umfing, das Schutz suchend dem Pfad der
totalen Finsternis folgte. Im Schatten des gütigen Mondes
Schutz zu suchen war noch eine der rationaleren Strategien, mit
der die Leute sich dem Sonnensturm entziehen wollten, und
Zehntausende hatten sich in diesem Bereich des
überschatteten Meeres eingefunden. Natürlich war es
absolut sinnlos. An jedem gegebenen Punkt dauerte die
Sonnenfinsternis nur ein paar Minuten, und selbst die dem
Schatten nachjagenden Flugzeuge boten bestenfalls für etwas
mehr als drei Stunden Schutz. Aber man konnte den Leuten nicht
vorwerfen, dass sie es versuchten, sagte Bisesa sich.
    Irgendwie machte dieses präzise himmlische Uhrwerk den
furchtbaren Morgen erst real für Bisesa. Die Erstgeborenen hatten den Sturm exakt für diesen
Moment arrangiert, da dieses kosmische Ereignis den
irdischen Himmel erhellte. Sie hatten sogar die Chuzpe besessen,
ihr zu zeigen, was sie beabsichtigten. Und nun lief es genauso
ab, wie sie es geplant hatten – live im TV.
    Myra keuchte. Bisesa hielt ihre Tochter fest.
    In diesem Bild der Sonnenfinsternis loderte Licht am Umfang
des dunklen Mondkreises auf, als ob eine gewaltige Bombe auf der
Rückseite des Erdtrabanten explodiert wäre. Es war
natürlich der Sonnensturm. Beim Blick auf die Uhr sah
Bisesa, dass er exakt in der Sekunde ausbrach, die Eugene Mangles
vorhergesagt hatte. Streiflichtartig sah man, wie die der
Sonnenfinsternis folgenden Flugzeuge vom Himmel fielen. Es war
ein schrecklicher Anblick.
    Dann flackerte dieser Abschnitt der Softwall auf, die
Abbildung verschwand und wich dem Blau des Himmels. Die
Übertragung war abgebrochen. Nun flackerten auch die anderen
Segmente auf der Softwall, eins nach dem anderen, und die
sprechenden Köpfe verstummten.

 
    03:10 (Londoner Zeit)
     
    An Bord der Aurora 2 rissen die Missions-Controller des
Schilds Tüten mit gesalzenen Erdnusskernen auf.
    Bud Tooke schnappte sich gleich eine ganze Tüte. Das war
eine alte Gratulationstradition, die vom JPL übernommen
worden war – dem Strahlantriebslaboratorium in Pasadena
–, das das große unbemannte Raumfahrzeug der NASA
betreut und Schlüsselpersonal und Know-how für dieses
Projekt geliefert hatte. Nun müssen wir auf das Glück
vertrauen, sagte Bud sich.
    Eine große Softscreen war für die Abbildung der
ganzen Erde reserviert.
    Aus der Perspektive von Buds Missionskontrollraum direkt im
Zentrum des Schildes war die Himmelsgeometrie einfach. Hier an L1
hing der Schild für immer zwischen Sonne und Erde. Also war
von Buds Warte aus gesehen die Erde immer voll. Heute hatte sich
jedoch – wie aufs Stichwort – der Mond zwischen Sonne
und Erde geschoben und bewegte sich folglich durch den Tunnel des
Schild-Schattens – ein Tunnel mit dem fast vierfachen
Durchmesser des Mondes. Bud vermochte sogar den Kernschatten
auszumachen, den der Mond aufs Antlitz der Erde warf und der als
breite graue Scheibe über den Pazifik zog. Diese
bemerkenswerte Ausrichtung erfolgte vor einem geisterhaft
trüben Hintergrund, weil der Schild seine Aufgabe
erfüllte und das Sonnenlicht bis auf einen geringen Rest
ablenkte.
    Als der Sturm losbrach, loderte die beschienene Hälfte
des Mondes für einen Sekundenbruchteil auf, bevor der
Lichtschwall gegen die Erde anbrandete.
    Bud

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