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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Schutz der Nacht lagen, von den Auswirkungen des
Sonnensturms betroffen. Wolken stoben über das sichtbare
Antlitz der Erde, und als sie vom Äquator wegströmten
und auf die kühlere Luft über den höheren Breiten
trafen, luden sie ihr Wasser in verheerenden Wolkenbrüchen
ab und als Schnee an den Polen. Und als Sonnenenergie die
übervollen Wärmespeicher der Erde endgültig zum
Überlaufen brachte, entstanden in den Meeresströmungen
– eigentlich riesige Salzwasserflüsse –
Turbulenzen; während eine noch nie da gewesene Schneemenge
über der Antarktis niederging, brachen am Rand des
südlichen Kontinents Milliarden Tonnen Eis von den
Eisschelfen ab.
    Und über den Polen knisterten Auroras – ein
unheimliches Feuer, das sogar vom Mond aus zu sehen war.
    Sieben Stunden dauert dieser Horror nun schon, sagte Michail
sich. Und er würde auch noch für viele Stunden
anhalten, wenn Eugenes endgültige Modelle sich als
zutreffend erwiesen. Es hatte wohl eine Modellierung der
Langzeitwirkungen dieses Ereignisses auf das Erdklima gegeben,
doch im Gegensatz zu Eugenes Modellen vermochte man sie nicht zu
präzisieren. Niemand wusste, wie das Ende aussehen
würde – oder ob es überhaupt Überlebende auf
der Erde geben würde, die sich ein Bild davon machen
konnten.
    Aber was auch immer aus der Erde wurde, Michail durfte sich
sicher sein, dass er den Tag überleben würde
– und das war der Quell seiner Schuldgefühle.
    In diesem Moment hatte der Mond – von der Erde aus
gesehen ein Neumond – die Rückseite frontal der
tückischen Sonne zugewandt. Also stand eine dreitausend
Kilometer starke Mauer aus massivem Gestein zwischen dem Sturm
und Michails wertvollem Leib hier auf der der Erde zugewandten
Seite des Mondes. Und nicht nur das: Der Mond, der so nah an der
Erde-Sonne-Linie stand, dass er heute selbst einen Schatten auf
die Heimatwelt geworfen hätte, wurde nämlich noch
zusätzlich durch den Schild geschützt, der in erster
Linie der Rettung der Erde diente. Also war Clavius einer der
sichersten Orte, an denen man sich heute im inneren Sonnensystem
aufhalten konnte.
    Die Bewohner des Mondes lebten ohnehin fast alle auf der
Vorderseite, und diejenigen, die die Stützpunkte auf der
Rückseite bewohnten – wie Ziolkowski und andere Basen
– waren längst in Clavius und Armstrong in Sicherheit
gebracht worden. Sogar Michails übliche Warte am Südpol
des Mondes war aufgegeben worden, obwohl die geduldigen
elektronischen Monitore mit unverminderter Effizienz das
exzentrische Verhalten der Sonne beobachten würden, bis sie
schmolzen.
    Und so hielt Michail sich hier versteckt, während die
Erde harte Schläge einstecken musste und Helden sich
mühten, die Funktion des Schildes aufrechtzuerhalten. Es war
schon seltsam, dass seine Karriere – sein Leben, das er dem
Studium der Sonne gewidmet hatte –, in diesem Punkt
kulminierte, da er sich vor einer tobenden Sonne in einer Grube
verkrochen hatte.
    Doch vielleicht war dieses Schicksal ihm auch beschieden
worden, lange, bevor er geboren wurde.
    Wie er Eugene einmal zu erklären versucht hatte, war die
russische Raumfahrt immer von einer profunden heliophilen
Komponente geprägt gewesen. Nachdem die orthodoxe Kirche
sich von Rom abgespalten hatte, hatte sie sich wieder
älteren heidnischen Elementen zugewandt – besonders
dem Mithraskult, einem geheimnisvollen Kult, der sich von Persien
über das römische Reich ausgebreitet hatte und in dem
die Sonne die dominierende kosmische Kraft gewesen war. Über
die Jahrhunderte waren Elemente dieser heidnischen Wurzeln
bewahrt worden, zum Beispiel in der Darstellung sonnenartiger
Ringe in der russischen Ikonografie. Und von den
›Neu-Heiden‹ des 19. Jahrhunderts waren sie dann
verstärkt wiederbelebt worden. Diese heiligen Narren
wären vielleicht in Vergessenheit geraten – hätte
nicht Ziolkowski, Vater der russischen Raumfahrt, bei heliophilen
Philosophen studiert.
    Kein Wunder, dass Ziolkowskis Vision der Zukunft der
Menschheit im Weltall in Sonnenlicht erstrahlte; er hatte davon
geträumt, dass die Menschheit im All schließlich zu
einer geschlossenen Einheit mit einem photosynthetischen
Metabolismus verschmelzen würde, die zum Leben nicht mehr
als Sonnenlicht brauchte. Für ein paar Philosophen war sogar
die ganze russische Raumfahrt nichts weiter als eine moderne
Version eines Sonnenanbetungsrituals.
    Michail war kein Mystiker, auch kein

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